Connie Willis - Blackout / All Clear
Meine Wertung:
Vor einigen Jahren drückte mir mein englischer (und viel zu früh verstorbener) Freund Norrie ein Taschenbuch in die Hand, das ich mal lesen sollte:
Der Autor von "Digital Fortress", in Deutsch als "Diabolus" erschienen, war mir damals nicht geläufig (Da stand der Dan Brown Hype noch ganz am Anfang). Aber Norrie schien von dem Buch ganz angetan zu sein, und so machte ich mich an die beunruhigenden 500 Seiten.
Das war noch in der Anfangszeit meines tapferen Entschlusses, mich etwas mehr der englischen Sprache und den schriftstellerischen Originalwerken zu widmen, und mir fielen diese vielen Seiten wirklich schwer.
Besonders ärgerte mich dabei, dass die Dan Brown-spezifische Action-Handlung auf einer falschen Prämisse basierte: Es geht in dem Werk, grob gesprochen, um die Frage von Geheimnachrichten, Verschlüsselung und den Möglichkeiten und Grenzen, verschlüsselte Texte wieder zu entschlüsseln Die Handlungen und Entscheidungen des Helden, seines Zeichens Experte für Kryptografie, basieren aber auf Annahmen zu diesem Thema, die nicht stimmen. Bestimmte Codes sind nicht entschlüsselbar, selbst mit allen theoretischen Hilfsmitteln dieser Welt. Mathematisch bewiesen. Das wissen Kryptografieexperten seit 50 Jahren.
Aber natürlich, das muss der durchschnittliche Leser ja nicht wissen, und so können sie damit leben, dass der Kryptoexperte im Roman ständig mit dieser Unmöglichkeit als Handlungsoption agiert.
Auch Larry Nivens preisgekrönte phantastische Kurzgeschichte "Neutron Star" arbeitet ja mit einem Gag, der in Wirklichkeit so nicht funktionieren würde, weil jede Person, die sich mit Himmelsmechanik auseinandersetzt, weiß, was "Gezeitenkräfte" in der Umlaufbahn um große Schwerefelder bedeuten. Jeder Astronom wüßte sofort, was die seltsame Kraft ist, die beim Parabelflug um den Neutronenstern die Besatzung tötete: Die Schwerkraftdifferenz zwischen Fuß und Kopf der Astronauten.
Aber zum Zeitpunkt der Geschichte Ende der 60er war das dem interessierten Laien-Lesepublikum etwas Neues, und so konnte man darauf die Handlung und den überraschenden Schlussgag aufbauen. Zumal die Überlegung ja absolut korrekt ist.
Wie auch immer, ich quälte mich also weiter in Dan Browns "Who-Done-It"-Handlung, auf jeder Seite die Unlogik der Hauptperson geiselnd, eine Handlung verfolgend, die so nicht funktionieren kann. Und dann, auf einen Schlag, irgendwo nach der Mitte, wurde die Handlung (auch hier: sehr Dan-Brown-spezifisch) völlig überraschend komplett auf den Kopf gestellt. Begründung: Die Idee der Hauptperson kann ja gar nicht gehen, weil... Und hier folgte dann die Erklärung dessen, was jeder Kryptoexperte seit 50 Jahren in seinem Mathematik-Studium lernt.
Nun gut, ab dieser Stelle war das Buch für mich halbwegs akzeptabel, und als ich das Buch zuschlug, war ich eigentlich auch ganz zufrieden.
Aber genau dieses anfängliche Gefühl des Unbehagens mit diesem Buch stellte sich für mich als Deja-Vu Gefühl beim Lesen von Blackout / All Clear ein.
Doch der Reihe nach.
Blackout und All Clear, zwei dicke Wälzer (als Taschenbücher mit 500 und 600 Seiten, eng bedruckt), sind eigentlich ein einziges Buch. In einem Nachwort gibt Autorin Connie Willis klar zu erkennen, dass sie aus ihrem Werk einen Zweiteiler machen musste, vermutlich weil der Verlag ein so dickes Werk als nicht verkaufsfähig angesehen hatte.
Nicht ganz fair dem Leser gegenüber, denn der erste Band ist für sich genommen kein eigenständiges Werk, weil er am Ende sämtliche Handlungsstränge als Cliffhanger in der Luft baumeln läßt. So etwas ist man zwar durchaus aus dem Kino gewohnt, der 7. Band von Harry Potter als Verfilmung mag da ein schönes Beispiel zu sein. Aber das Buch selber einfach zweizuteilen, wäre kaum möglich gewesen.
In dieser Form ein Buch nachträglich zu teilen, ohne den Warnhinweis "Band 1 von 2" auf den Titel zu drucken, habe ich noch nie erlebt (Na ja, es gibt jetzt Ausgaben, da steht drauf: Band 1 der Oxford-Zeitreise-Geschichten. Aber selbst das trifft es nicht).
Die Juroren und Leser, die dem Werk sowohl den Hugo wie den Nebula-Award zugesprochen haben, waren ja auch darin ganz konsequent: Die Preise wurden für die beiden Bände zusammen vergeben.
Wie schon erwähnt, habe ich es mir in letzter Zeit angewöhnt, gute Bücher im englischen Original zu lesen. Es ist manchmal überraschend, wie stark der Tonfall und die Anmutung eines Textes von der Güte einer Übersetzung abhängen. Und manche Dinge können auch nur sehr schwer übersetzt werden, um neben der reinen Bedeutung auch das Gefühl eines Buches zu transferieren. Gerade die Möglichkeit im Englischen, eine sehr lakonische, kurze Schreibweise zu wählen, läßt sich im Deutschen nur sehr schwer Wiedergeben, ohne die kindliche Anmutung einer Hauptsatz-Hauptsatz-Hauptsatz Konstruktion zu bekommen.
Allerdings benötige ich für das englische Original auch mehr Lesezeit. Wo ich langweilige Bücher und Passagen im Deutschen im Schnellleseverfahren verarbeiten kann, um sie dann nach einem langen Sonntagnachmittag seufzend wegzustellen und als Fehlgriff abzuschreiben, ist mir diese Möglichkeit im Englischen als Nichtmuttersprachler nicht gegeben. ich lese dort schnell, aber immer komplett. Fange ich an, zu überfliegen, weiß ich hinterher nicht, was ich gelesen habe.
Also mache ich solche Ausflüge in die Fremdsprachlichkeit nur dann, wenn ich gewisse Hinweise habe, dass die Qualität des Produktes die Mühe wert ist. Das war vor Blackout/All Clear die hervorragende Steve Jobs-Biographie gewesen (die im Deutschen aus Termingründen von 5 Übersetztern stückweise übersetzt wurde, und in der ersten Auflage vor Fehlern strotzt (Silicon Valley = Silikon-Tal)), und in den letzten Jahren im Bereich der SF die aktuellen und vergangenen Gewinner der Hugo und Nebula-Preise, insbesondere, wenn ein Buch mal beide Preise gewinnen konnte.
Und da wurde ich eigentlich auch nie enttäuscht. Nicht alles war Spitzenleistung, aber Qualität auf hohem Niveau allemal:
China Miévilles The City & The City: eine ungewöhnliche Idee mit ungewöhnlicher Handlung, Neil Gaimans monumentale "American Gods" und sein anrührendes "The Graveyard Books", Vernor Vinges "Eine Tiefe am Himmel".
Tolle Bücher, jede Zeile wert, mindenstens solide Qualität auf hohem Niveau.
In dieser Erwartungshaltung besorgte ich mir Willis Doppelband im Original als eBook (was noch mal eine ganz andere Geschichte ist), unterstützt von der Tatsache, dass das Werk ja noch gar nicht im Deutschen erhältlich ist.
Und ich began zu lesen. Und je weiter sich das Buch schleppte, desto unzufriedener wurde ich. Langweilige Handlung, seltsamer Umgang mit den Ideen der Zeitreise. Die Handlung zog sich wie Kaugummi. Und immer wieder fragte ich mich: Kommt da noch etwas? Und wenn ja, wann kommt denn da noch etwas?
Und nach ca. 2/3 der Gesamtlänge die unverholene Frage: Warum, um alles in der Welt, bekommt das Werk einen Hugo?? Dabei tat ich etwas, was ich eigentlich selten tue: ich lamentierte online über die beiden Romane, bevor ich sie fertig gelesen habe. Je länger die Handlung auf der Stelle trat, umso mehr.
Irgendwann beschloss ich schließlich, das letzte Drittel schweigend zu lesen, ohne mich permanent zu beschweren und die Leute zu nerven, um dann meine Meinung abzugeben.
Und dann, am Schluss von 4 Wochen Leseerfahrung, machte ich dann die Bücher zu (naja, ich schaltete den kindle aus), mit einem Kloß im Hals. Mit diesem seltsamen kitschigen und traurigen Gefühl, dass einen in gut gemachten Büchern wie in gut gemachten Filmen am Schluss ergreift, wenn die letzte Szene verfliegt und man gewahr wird, dass gute Freunde von einem gegangen sind. Das "Jenseits von Afrika" Schlussfeeling eben. Gar nicht schlecht!
Aber ich stehe immer noch zu beiden Einschätzungen.
Was ist hier passiert?
Die Handlung der beiden Bücher sei kurz abgesteckt: Eine Gruppe von Historikern aus dem England des Jahres 2060 reist zurück in der Zeit, um die Auswirkung der deutschen Luftangriffe auf England (1940/1941 mit Bombern, ab 1944 mit den V1 und V2) "im Feld" zu untersuchen und das Verhalten der Menschen in solchen Extremsituationen zu studieren.
Dabei benutzen die Forscher Tore/Durchgänge in Zeit und Raum (Im Buch "Drops" genannt), die sich nur unter bestimmten Umständen öffnen lassen: Sie dürfen nicht durch zeitgenössische Menschen beobachtet werden, sonst bleiben Sie geschlossen, und sie können nicht an sogenannten "Divergenz Points" geöffnet werden: das sind bestimmte Orte zu bestimmten Zeiten, bei denen die Geschichte auf Messers Schneide steht, und bei denen schon ein kleiner Eingriff eine weitreichende Veränderung der Vergangenheit bewirken könnten. Hier läßt der Mechanismus der Zeitreise einen Zugriff aus temporaler Ferne nicht zu. Ein Werkzeug der Handlung ist auch die Tatsache, dass es beim Transport auch zu Verschiebungen kommen kann: der gewählte Zeitpunkt kann sich ungewollt um Stunden (später auch Tage und Wochen) verändern.
Ein weiterer Bestandteil des Handlungsrahmens ist: Niemand kann sich zweimal gleichzeitig zum selben Zeitpunkt in der Vergangenheit befinden: Wer sich also 1942 auf Vergangenheitsmission befunden hatte, sollte bei einer erneuten Mission im Jahr 1941 bis zu diesem Zeitpunkt wieder in die Gegenwart zurückkehren, sonst wird er sterben.
Schon aus diesen Rahmenvorgaben weiß der erfahrene Leser, was passieren muss: Die verschiedenen Hauptpersonen, deren Geschichte in verschiedenen Handlungssträngen erzählt wird, können plötzlich nicht mehr zurück. Ihre Tore öffnen sich nicht mehr, und was als Kurzeinsatz gedacht war, wird zum monatelangen, vielleicht jahrelangen Aufenthalt verlängert. Dazu die Deadline (im wahrsten Sinne des Wortes) früherer Einsätze, die für einzelne Handlungsträger wie ein Damoklesschwert über ihnen hängt. Und das Leben und der Aufenthalt im London der Kriegsjahre, mit seinen nächtlichen Bombardierungen, seinen Opfern und Entbehrungen.
Willis verwendet dieses Handlungsuniversum nicht zum ersten Mal, die Oxford-Zeitreisen-Geschichten waren schon öfters Ausgangspunkt und Basis ihrer Bücher. Mir fehlt dieser Hintergrund, und ich habe die Ahnung, dass bei der Bewertung des Romans für andere Leser diese Geschichten und Hintergründe unbewusst mit eingeflossen sind.
So weit, so gut. Connie Willis schrieb einen Roman, der sich in zwei Welten tummelt: Ein historischer Erlebnisroman über das Leben der Menschen in den Kriegswirren unter der Last ständiger Luftangriffe, und gleichzeitig eine Science Fiction Novelle über Zeitreise und den damit verbundenen Problemen und Erkenntnissen. Das ist immer ein gewisses Risiko, denn in so einem Roman muss beides gut sein. Sowohl die Beschreibung eines Historienromans (Nehmen wir Ken Follets "Die Säulen der Erde" als leuchtendes Beispiel), wie auch das Gedankenexperiment der Zeitreise.
Nun ist Zeitreise ja ein klassisches Thema, und gerade der SF-Leser ist hier schon mit allen gedanklichen Modellen der Möglichkeiten und Einschränkungen von Zeitreisenden konfrontiert worden: Kann die Vergangenheit verändert werden, oder ist sie fixiert? Ist der zeitliche Ablauf der Geschichte ein chaotisches System, bei dem kleinste Änderungen große Gesamtauswirkungen haben? Oder "versanden" Änderungen in der Vergangenheit im breiten Strom der Zeit und werden in der Gegenwart nicht mehr wahrnehmbar? Alle diese Fragen wurden in vielen Romanen und ungezählten Kurzgeschichten von allen Seiten beleuchtet, und mit dem "Jesus-Video" oder "die Frau des Zeitreisenden" haben solche Themen auch schon die breite Öffentlichkeit erreicht. All das verbietet einem als gut zu bezeichnenden Science Fiction Roman, diese gedanklichen Vorarbeiten zu ignorieren und wieder ganz bei Null anzufangen.
Was passiert, wenn an und für sich gute Autoren versuchen, ohne Background im SF-Genre zu wildern, zeigen sehr schön die Versuche des Romanautors Stephen King, dessen SF-Ausflüge allesamt hölzern, unüberlegt und altmodisch wirken. Hier fehlt einfach der "fachliche" Background, der auch nicht durch eine von Kokain und Alkohol induzierte Schreibbesessenheit ersetzt werden kann.
Willis schreibt einen langen Roman, der sich viel Zeit läßt, um die Figuren zu entwickeln und den Leser mit Ihnen und Ihren Abenteuern vertraut zu machen. Die Beschreibung des Lebens eines Hausmädchens, das sich im zweiten Weltkrieg in einem herrschaftlichen Haushalt um evakuierte Kinder kümmert (Eine Historikerin, die so ihren Forschungsgegenstand im Detail kennenlernen möchte), eine Kaufhausangestellte, die im Bombenhagel in London ihre Studien über das Verhalten im Alltag machen möchte, ein Mann, der aus der Nähe den vernichtenden Rückzug der englischen Armee 1941 vom Strand von Dünkirchen beobachten und das menschliche Verhalten des "Heldenhaften" untersuchen möchte. All diese Figuren werden in einen historisch gut recherchierten Kontext gestellt, und bewegen sich in einer durchaus realistischen Kulisse. Zahlen und Fakten sind korrekt, selbst bei Dingen, bei denen man selbst feststellen muss, dass man die Verheerungen, die die deutsche Luftwaffe in England angerichtet hat, in diesem Ausmaß nie realisiert hat. Da der Roman immer wieder suggeriert, dass die Protagonisten die Vergangenheit unabsichtlich verändert haben könnten, habe ich einige Dinge auch nachgeschlagen: Während "The Blitz" starben tatsächlich über 44.000 Londoner bei den Luftangriffen, es wurden wirklich über eine Million Gebäude in England durch Sprengwirkung oder Brand zerstört.
Der historische Kontext ist korrekt, gängige Spitznamen und Bezeichnungen für die V1, für die Angriffe oder Beschwernisse des täglichen Lebens sind richtig wiedergegeben. Die vor dem inneren Auge entstehende Welt scheint stimmig, auch wenn der Autorin an manchen Stellen Seltsamkeiten passieren. So herrscht zu dieser Zeit eine strenge Nahrungsmittelrationierung, das Leben mit Essen auf Bezugmarken ist beschwerlich, trotzdem entschließen sich die Hauptpersonen an mehreren Stellen, in Kantinen "noch etwas essen zu gehen", als ob dies in dieser Zeit ohne Lebensmittelmarken möglich und eine Option gewesen wären. Manche Schilderungen des Lebens der rekrutierten Kriegshelfer scheinen doch eine Spur zu viel der durch die zeit gemilderten Rückerinnerung zu enthalten. Harris betont, sie habe sich von Verteraninnen der Helferdienste lange und ausführlich die damaligen Erlebnisse erzählen lassen - in dieser Form erzähle ich auch von meiner Schulzeit: rosarat gefärbt, und was hatten wir trotz allem für einen Spaß!
Schön ist, dass Harris sehr stark die weiblichen Helfer, die Kraftfahrerinnen, die Sanitäterinnen, die Helferinnen bei den Dechiffrierprojekten im Blick hat. Diese geben ein realistisches Bild ab, wohingegen ich mich in den männlichen Protagonisten weniger wiederfinden kann.
Alles in allem aber doch gute Voraussetzungen für ein lebensnahes und realistisches Buch. Dass das Werk in diesem Punkt trotzdem nicht meine Erwartungen erfüllt, liegt in der Harmlosigkeit der beschriebenen Personen. Ich vermisse jegliche Ecke und Kante in den beschriebenen Charakteren, ein Mangel, der bei den Hauptdarstellern in einer geradezu beeindruckenden Naivität gipfelt. Keine der Hauptpersonen ist in der Anfangszeit ernst zu nehmen. Handlungen und Motivationen sind ehrenwert, aber sie sind durch eine manchmal bis zur Begriffsstutzigkeit gedehnte Naivität ausgezeichnet, die nicht vermuten läßt, dass man es hier mit studierten Historikern zu tun haben soll.
Einen besonderer Fall stellen auch ein verwahrlostes Geschwisterpaar dar, die "Hodbins", dass während der Evakuierungen an eine der Zeitreisenden gerät und das allen mit ihren Streichen das Leben zur Hölle macht. Hier balanciert das Buch hart am Rande des Slapsticks, und hier läuft es auch Gefahr, unbeabsichtigt in eine Satire abzugleiten. Die Geschwister sind reine Abziehbilder, und der am wenigsten glaubhafte Teile des Buches, auch wenn sie im Verlauf eine immer zentralere und überraschendere Rolle einnehmen.
Wo wir auch schon beim SF-Anteil des Buches angelangt sind. Die Idee, dass Zeitreisen durch universitäre und wissenschaftliche Gremien in Oxford durchgeführt werden, ist ein amüsanter Plot. Die durchscheinende Wurstigkeit und Unprofessionalität aller Beteiligten ist aber nur schwer glaubhaft.
Zumal die Grundannahme des Buches ja lautet, dass die Zeitreisenden sehr wohl Veränderungen in der Vergangenheit vornehmen können, diese aber nicht bis die Gegenwart durchschlagen würden. Veränderungskritische historische Weggabelungen sind dabei gar nicht erreichbar. Im Verlauf des Buches wird deutlich, dass alle Beteiligte, inklusive auch der Leiter dieser Zeitreiseeinrichtung, sich gar nicht so sicher sind, ob diese Annahme tatsächlich zutrifft. Ist das denkbar? Eine Organisation schickt Tausende von Historikern, auch noch 17-jährige Collegestudenten, in alle kritischen Zeitabschnitte unsere Zeitgeschichte und läuft Gefahr, die Gegenwart durch unbedachtes Tun zu verändern. Ist sich aber gar nicht sicher, ob ein Risiko besteht oder nicht.
Eine unlogische Prämisse. Sie ist besonders ärgerlich, da das Buch über hunderte von Seiten mit der Überlegung und dem Leser spielt, dass eben doch eine Veränderung der Vergangenheit möglich ist, und diese möglicherweise bereits erfolgte Veränderung die Rückkehr der Zeitreisenden verhindert.
Eine Art who-done-it anzulegen, dass aber auf unlogischen Grundannahmen beruht, macht keinen Spaß. Das wird auch nicht dadurch besser, dass Connie Willis schon arg plump die Nase des Lesers immer wieder auf die Fährte "Veränderung der Vergangenheit" schiebt, um es dann zwei Seiten später wieder zurückzunehmen: Falscher Alarm. Das mag eine Zeitlang funktionieren, 600 Seiten lang ist das aber etwas nervig.
Und auch unlogisch: Der männliche Protagonist wird im Verlauf des Buches in Handlungen verstrickt, die in der Rettung von hunderten von Personen münden, die ohne sein Zutun gestorben wären. Die Frage, ob er nicht einfach dadurch bereits ein Teil der passierten historischen Vergangenheit sein könnte, wird gar nicht aufgeworfen. Die Figur räsoniert die nächsten 400 Seiten darüber, ob nicht dieses Eingreifen dazu führt, dass England den Krieg verliert.
Das Retten englischer Soldaten führt zur Niederlage der Allierten? Hier kommt dann als Begründung schließlich der "Schmetterlingsflügeleffekt" ins Spiel: Veränderungen in einem chaotischen System können ganz unerwartete und gegenteilige Folgen haben. Vielleicht auch hier?
Was bei kurzem Nachdenken im gewählten Handlungskontext Quatsch ist: denn dann wäre jedes Bewegen in der Vergangenheit ein potentielles auf-den-Kopf stellen der Gegenwart, egal wie und wo ich eine Veränderung vornehme. Die Idee von Gabelungspunkten ist dann sowieso hinfällig.
Nach der Hälfte des zweiten Buches, die gestrandeten Zeitreisenden haben sich in London getroffen, wird die Geschichte etwas vielschichtiger. Weitere Handlungen zu anderen Zeiten des zweiten Weltkriegs kommen hinzu, deren Zusammenhang mit der Haupthandlung bewußt verschleiert werden und die darauf hindeuten, dass die Autorin doch an einem "großen Rad" dreht, der Handlung zum Schluß hin noch einen genialen Dreh geben will.
Zur dieser Zeit verbringen die Protagonisten unzählige Seiten lang mit dem Versuch, andere Zeitreisende, die schon früher diese Zeit besucht haben, aufzufinden und deren "Drops" führ eine Rückkehr zu nutzen. Abgesehen von der guten Frage, dass das ja ein eindeutiges Zeitparadoxon ergeben würde: Es klappt nicht. Egal, was die Helden versuchen, es sind immer Kleinigkeiten oder Ereignisse, die es gerade verhindern, den Betreffenden zu finden, rechtzeitig zu erreichen oder zu kontaktieren. So, als ob gelangweilte Götter mit einem Augenzwinkern den Gestrandeten im letzten Moment ein Bein stellen würden. Hier wird der Leser (aber anscheinend nicht die Hauptfiguren) überdeutlich mit der Nase darauf gestoßen, dass bestimmte Dinge anscheinend nicht verändert werden können (oder sollen!).
Und dann kam der Moment, so nach 800 Seiten, als der inzwischen auch gestandete Leiter des Zeitreiseinstitutes den Anderen eröffnet: Ihr habet die Vergangenheit verändert, jetzt wehrt sich die Zeit, das Kontinuum, und versucht, diese Veränderung auszulöschen. Und alle, die davon betroffen wurden. Den Zeitreisenden genauso wie den vielen, die mit Ihnen in Kontakt gekommen sind. Das Kontinuum wird versuchen, sie umzubringen, um damit die Änderungen ungeschehen zu machen. Deswegen lassen sich auch keine Zeittunnels mehr öffnen. Vorbei, Rückkehr unmöglich.
An dieser Stelle war ich versucht, das Buch endgültig zuzumachen.
Dabei hat der Roman doch einige interessante Details: Die Überlegungen, wie ein "Rettungsteam" gestrandete Zeitreisende finden und wieder holen kann, ist ein gut durchdachter Gedanke. Das Rettungsteam hat in der Zukunft ja jede Zeit zur Verfügung, Leute zurückzuschicken und die Verschwundenen zu suchen. Und wenn es 50 Jahre dauert: Für die Gestrandeten ist es so, als ob das Team augenblicklich erschienen wäre (Nebenbei: Das in so einem Fall zwar eine Rückkehr möglich, aber in eine für die Zeitreisenden unbekannte Zukunft führen würde, mit dem Verlust der Angehörigen, Partner, der eigenen Zeit, ist anscheind der Autorin gar nicht bewußt geworden).
Interessant fand ich die Ideen, wie man einem Rettungsteam in der Zukunft Hinweise geben könnte: Durch kodierte zeitungsartikel, durch Anzeigen mit Namen und Informationen, die einem suchenden, zukünftigen Leser in den Zeitungsarchiven Hinweise geben würde. Das ist clever ausgearbeitet.
Die Konsequenzen von Zeitreisen, bei denen man nach Wunsch entweder zum gleichen Zeitpunkt zurückkehrt (aber trotzdem in der Vergangenheit einen jahrelangen Aufenthalt hatte, und auch entsprechend gealtert ist), wie auch der parallelen Versetzung (ich komme auch in der Gegenwart erst nach einem Jahr wieder aus der Vergangenheit zurück) , sind interessant angedacht, zusammen mit den Folgen des unterschiedlichen Alterns der Wissenschaftler.
Also habe ich das Buch wieder aufgemacht.
Es dauerte noch rund 100 Seiten, bis auch dieser unsinnige Lösungsansatz verworfen wurde, und jetzt die tatsächliche Lösung präsentiert wurde. Um zukünftigen Lesern den Spaß nicht zu verderben, möchte ich hier nicht zu sehr in die Details gehen. Soviel sei gesagt: Es war gut, noch durchgehalten zu haben: denn jetzt wird eine Lösung präsentiert, die tatsächlich eine logische Erklärung für alles liefern kann, die verschiedenen Handlungsstränge greifen ineinander, und auf den letzten 150 Seiten passieren gut angelegte Ereignisse, die den Leser überraschen und der Handlung richtig Intensität geben. Und den bekannten Varianten der Zeitreise wird sogar noch eine weitere Facette hinzugefügt.
Die seltsame Neigung der Autorin, in ihrem Roman niemanden sterben zu lassen, bekommt jetzt eine Bedeutung und überrascht den Leser am Schluss mit lapidar mitgeteilten Todesfällen, die man dem Buch gar nicht zugetraut hatte, und die damit auch völlig überraschend kamen.
Und sogar eine der Hauptfiguren überlebt die Handlung nicht, nachdem im Leser die Erwartung geweckt wurde, dass diese Person eine noch bestehende Lücke im Handlungspuzzle schließen könnte (der zukünftige Ehemann...), und niemand (zumindest ich nicht) erwartet hätte, dass sie verstirbt.
Dazu am Schluss ein paar philosophische Zeilen über Pflicht, Gewissen, Gemeinsinn und Liebe, und der Leser schlägt das Buch zu, mit einem Kloß im Hals.
Was bleibt:
Ja, es ist ein gutes Buch. Es ist handwerklich nicht schlecht gemacht. Es erweckt an einigen Stellen den Verdacht, die Autorin würde schriftstellerischer Dillentantismus reiten, aber in der rückblickenden Gesamtsicht wird klar, die Autorin wusste, was sie tut. Aber das Buch ist zu lang. Viel zu lang. Es passiert zu wenig, als dass man dies auf insgesamt 1200 Seiten wohlgefällig ausbreiten könnte, ohne den Leser zu ermüden. Zumal eine seltsame Asymetrie herrscht: Nach hunderten von Seiten dahinplätschern nimmt das Buch erst auf den letzten 200 Seiten Fahrt auf und kommt auf den Punkt. Wahrscheinlich wäre es bei schnellerem Lesetempo im Deutschen erträglicher, so aber hängt das Buch völlig durch. In wie weit das der Zweiteilung des Romans geschuldet ist, vermag ich nicht zu sagen, es drängt sich jedoch der Verdacht auf, dass die Einführung der Figuren verlängert werden musste, um überhaupt eine halbwegs abschließbare Rahmenhandlung für den ersten Band zu erzeugen. Ich glaube auch, das dass der Autorin bewußt war. Die geradezu penetranten Hinweise und Verdachtsmomente, die auf eine falsche Fährte führen sollen, wirken wie nachträglich eingefügt, und erklären damit auch, warum sie immer ein paar Seiten später wieder komplett zurückgenommen werden.
Am meisten mache ich dem Buch den Vorwurf, dass es mit einer falschen Fährte spielt, die weder stimmig und logisch ist. Dem Leser ist das zu schnell klar, und es macht nicht wirklich Spaß, den Romanfiguren 700 Seiten lang beim falschliegen zuzuschauen.
Ich habe schon bessere Historienromane gelesen, aber die beiden Bücher halten durchaus Niveau.
ich habe schon bessere SF gelesen, aber auch hier haben wir einen guten Standard.
Zusammen ergeben Sie ein Werk, das man durchaus lesen mag.
Allerdings: für mich wäre es jedoch nicht preiswürdig gewesen.
Meine Wertung:
Vor einigen Jahren drückte mir mein englischer (und viel zu früh verstorbener) Freund Norrie ein Taschenbuch in die Hand, das ich mal lesen sollte:
Der Autor von "Digital Fortress", in Deutsch als "Diabolus" erschienen, war mir damals nicht geläufig (Da stand der Dan Brown Hype noch ganz am Anfang). Aber Norrie schien von dem Buch ganz angetan zu sein, und so machte ich mich an die beunruhigenden 500 Seiten.
Das war noch in der Anfangszeit meines tapferen Entschlusses, mich etwas mehr der englischen Sprache und den schriftstellerischen Originalwerken zu widmen, und mir fielen diese vielen Seiten wirklich schwer.
Besonders ärgerte mich dabei, dass die Dan Brown-spezifische Action-Handlung auf einer falschen Prämisse basierte: Es geht in dem Werk, grob gesprochen, um die Frage von Geheimnachrichten, Verschlüsselung und den Möglichkeiten und Grenzen, verschlüsselte Texte wieder zu entschlüsseln Die Handlungen und Entscheidungen des Helden, seines Zeichens Experte für Kryptografie, basieren aber auf Annahmen zu diesem Thema, die nicht stimmen. Bestimmte Codes sind nicht entschlüsselbar, selbst mit allen theoretischen Hilfsmitteln dieser Welt. Mathematisch bewiesen. Das wissen Kryptografieexperten seit 50 Jahren.
Aber natürlich, das muss der durchschnittliche Leser ja nicht wissen, und so können sie damit leben, dass der Kryptoexperte im Roman ständig mit dieser Unmöglichkeit als Handlungsoption agiert.
Auch Larry Nivens preisgekrönte phantastische Kurzgeschichte "Neutron Star" arbeitet ja mit einem Gag, der in Wirklichkeit so nicht funktionieren würde, weil jede Person, die sich mit Himmelsmechanik auseinandersetzt, weiß, was "Gezeitenkräfte" in der Umlaufbahn um große Schwerefelder bedeuten. Jeder Astronom wüßte sofort, was die seltsame Kraft ist, die beim Parabelflug um den Neutronenstern die Besatzung tötete: Die Schwerkraftdifferenz zwischen Fuß und Kopf der Astronauten.
Aber zum Zeitpunkt der Geschichte Ende der 60er war das dem interessierten Laien-Lesepublikum etwas Neues, und so konnte man darauf die Handlung und den überraschenden Schlussgag aufbauen. Zumal die Überlegung ja absolut korrekt ist.
Wie auch immer, ich quälte mich also weiter in Dan Browns "Who-Done-It"-Handlung, auf jeder Seite die Unlogik der Hauptperson geiselnd, eine Handlung verfolgend, die so nicht funktionieren kann. Und dann, auf einen Schlag, irgendwo nach der Mitte, wurde die Handlung (auch hier: sehr Dan-Brown-spezifisch) völlig überraschend komplett auf den Kopf gestellt. Begründung: Die Idee der Hauptperson kann ja gar nicht gehen, weil... Und hier folgte dann die Erklärung dessen, was jeder Kryptoexperte seit 50 Jahren in seinem Mathematik-Studium lernt.
Nun gut, ab dieser Stelle war das Buch für mich halbwegs akzeptabel, und als ich das Buch zuschlug, war ich eigentlich auch ganz zufrieden.
Aber genau dieses anfängliche Gefühl des Unbehagens mit diesem Buch stellte sich für mich als Deja-Vu Gefühl beim Lesen von Blackout / All Clear ein.
Doch der Reihe nach.
Blackout und All Clear, zwei dicke Wälzer (als Taschenbücher mit 500 und 600 Seiten, eng bedruckt), sind eigentlich ein einziges Buch. In einem Nachwort gibt Autorin Connie Willis klar zu erkennen, dass sie aus ihrem Werk einen Zweiteiler machen musste, vermutlich weil der Verlag ein so dickes Werk als nicht verkaufsfähig angesehen hatte.
Nicht ganz fair dem Leser gegenüber, denn der erste Band ist für sich genommen kein eigenständiges Werk, weil er am Ende sämtliche Handlungsstränge als Cliffhanger in der Luft baumeln läßt. So etwas ist man zwar durchaus aus dem Kino gewohnt, der 7. Band von Harry Potter als Verfilmung mag da ein schönes Beispiel zu sein. Aber das Buch selber einfach zweizuteilen, wäre kaum möglich gewesen.
In dieser Form ein Buch nachträglich zu teilen, ohne den Warnhinweis "Band 1 von 2" auf den Titel zu drucken, habe ich noch nie erlebt (Na ja, es gibt jetzt Ausgaben, da steht drauf: Band 1 der Oxford-Zeitreise-Geschichten. Aber selbst das trifft es nicht).
Die Juroren und Leser, die dem Werk sowohl den Hugo wie den Nebula-Award zugesprochen haben, waren ja auch darin ganz konsequent: Die Preise wurden für die beiden Bände zusammen vergeben.
Wie schon erwähnt, habe ich es mir in letzter Zeit angewöhnt, gute Bücher im englischen Original zu lesen. Es ist manchmal überraschend, wie stark der Tonfall und die Anmutung eines Textes von der Güte einer Übersetzung abhängen. Und manche Dinge können auch nur sehr schwer übersetzt werden, um neben der reinen Bedeutung auch das Gefühl eines Buches zu transferieren. Gerade die Möglichkeit im Englischen, eine sehr lakonische, kurze Schreibweise zu wählen, läßt sich im Deutschen nur sehr schwer Wiedergeben, ohne die kindliche Anmutung einer Hauptsatz-Hauptsatz-Hauptsatz Konstruktion zu bekommen.
Allerdings benötige ich für das englische Original auch mehr Lesezeit. Wo ich langweilige Bücher und Passagen im Deutschen im Schnellleseverfahren verarbeiten kann, um sie dann nach einem langen Sonntagnachmittag seufzend wegzustellen und als Fehlgriff abzuschreiben, ist mir diese Möglichkeit im Englischen als Nichtmuttersprachler nicht gegeben. ich lese dort schnell, aber immer komplett. Fange ich an, zu überfliegen, weiß ich hinterher nicht, was ich gelesen habe.
Also mache ich solche Ausflüge in die Fremdsprachlichkeit nur dann, wenn ich gewisse Hinweise habe, dass die Qualität des Produktes die Mühe wert ist. Das war vor Blackout/All Clear die hervorragende Steve Jobs-Biographie gewesen (die im Deutschen aus Termingründen von 5 Übersetztern stückweise übersetzt wurde, und in der ersten Auflage vor Fehlern strotzt (Silicon Valley = Silikon-Tal)), und in den letzten Jahren im Bereich der SF die aktuellen und vergangenen Gewinner der Hugo und Nebula-Preise, insbesondere, wenn ein Buch mal beide Preise gewinnen konnte.
Und da wurde ich eigentlich auch nie enttäuscht. Nicht alles war Spitzenleistung, aber Qualität auf hohem Niveau allemal:
China Miévilles The City & The City: eine ungewöhnliche Idee mit ungewöhnlicher Handlung, Neil Gaimans monumentale "American Gods" und sein anrührendes "The Graveyard Books", Vernor Vinges "Eine Tiefe am Himmel".
Tolle Bücher, jede Zeile wert, mindenstens solide Qualität auf hohem Niveau.
In dieser Erwartungshaltung besorgte ich mir Willis Doppelband im Original als eBook (was noch mal eine ganz andere Geschichte ist), unterstützt von der Tatsache, dass das Werk ja noch gar nicht im Deutschen erhältlich ist.
Und ich began zu lesen. Und je weiter sich das Buch schleppte, desto unzufriedener wurde ich. Langweilige Handlung, seltsamer Umgang mit den Ideen der Zeitreise. Die Handlung zog sich wie Kaugummi. Und immer wieder fragte ich mich: Kommt da noch etwas? Und wenn ja, wann kommt denn da noch etwas?
Und nach ca. 2/3 der Gesamtlänge die unverholene Frage: Warum, um alles in der Welt, bekommt das Werk einen Hugo?? Dabei tat ich etwas, was ich eigentlich selten tue: ich lamentierte online über die beiden Romane, bevor ich sie fertig gelesen habe. Je länger die Handlung auf der Stelle trat, umso mehr.
Irgendwann beschloss ich schließlich, das letzte Drittel schweigend zu lesen, ohne mich permanent zu beschweren und die Leute zu nerven, um dann meine Meinung abzugeben.
Und dann, am Schluss von 4 Wochen Leseerfahrung, machte ich dann die Bücher zu (naja, ich schaltete den kindle aus), mit einem Kloß im Hals. Mit diesem seltsamen kitschigen und traurigen Gefühl, dass einen in gut gemachten Büchern wie in gut gemachten Filmen am Schluss ergreift, wenn die letzte Szene verfliegt und man gewahr wird, dass gute Freunde von einem gegangen sind. Das "Jenseits von Afrika" Schlussfeeling eben. Gar nicht schlecht!
Aber ich stehe immer noch zu beiden Einschätzungen.
Was ist hier passiert?
Die Handlung der beiden Bücher sei kurz abgesteckt: Eine Gruppe von Historikern aus dem England des Jahres 2060 reist zurück in der Zeit, um die Auswirkung der deutschen Luftangriffe auf England (1940/1941 mit Bombern, ab 1944 mit den V1 und V2) "im Feld" zu untersuchen und das Verhalten der Menschen in solchen Extremsituationen zu studieren.
Dabei benutzen die Forscher Tore/Durchgänge in Zeit und Raum (Im Buch "Drops" genannt), die sich nur unter bestimmten Umständen öffnen lassen: Sie dürfen nicht durch zeitgenössische Menschen beobachtet werden, sonst bleiben Sie geschlossen, und sie können nicht an sogenannten "Divergenz Points" geöffnet werden: das sind bestimmte Orte zu bestimmten Zeiten, bei denen die Geschichte auf Messers Schneide steht, und bei denen schon ein kleiner Eingriff eine weitreichende Veränderung der Vergangenheit bewirken könnten. Hier läßt der Mechanismus der Zeitreise einen Zugriff aus temporaler Ferne nicht zu. Ein Werkzeug der Handlung ist auch die Tatsache, dass es beim Transport auch zu Verschiebungen kommen kann: der gewählte Zeitpunkt kann sich ungewollt um Stunden (später auch Tage und Wochen) verändern.
Ein weiterer Bestandteil des Handlungsrahmens ist: Niemand kann sich zweimal gleichzeitig zum selben Zeitpunkt in der Vergangenheit befinden: Wer sich also 1942 auf Vergangenheitsmission befunden hatte, sollte bei einer erneuten Mission im Jahr 1941 bis zu diesem Zeitpunkt wieder in die Gegenwart zurückkehren, sonst wird er sterben.
Schon aus diesen Rahmenvorgaben weiß der erfahrene Leser, was passieren muss: Die verschiedenen Hauptpersonen, deren Geschichte in verschiedenen Handlungssträngen erzählt wird, können plötzlich nicht mehr zurück. Ihre Tore öffnen sich nicht mehr, und was als Kurzeinsatz gedacht war, wird zum monatelangen, vielleicht jahrelangen Aufenthalt verlängert. Dazu die Deadline (im wahrsten Sinne des Wortes) früherer Einsätze, die für einzelne Handlungsträger wie ein Damoklesschwert über ihnen hängt. Und das Leben und der Aufenthalt im London der Kriegsjahre, mit seinen nächtlichen Bombardierungen, seinen Opfern und Entbehrungen.
Willis verwendet dieses Handlungsuniversum nicht zum ersten Mal, die Oxford-Zeitreisen-Geschichten waren schon öfters Ausgangspunkt und Basis ihrer Bücher. Mir fehlt dieser Hintergrund, und ich habe die Ahnung, dass bei der Bewertung des Romans für andere Leser diese Geschichten und Hintergründe unbewusst mit eingeflossen sind.
So weit, so gut. Connie Willis schrieb einen Roman, der sich in zwei Welten tummelt: Ein historischer Erlebnisroman über das Leben der Menschen in den Kriegswirren unter der Last ständiger Luftangriffe, und gleichzeitig eine Science Fiction Novelle über Zeitreise und den damit verbundenen Problemen und Erkenntnissen. Das ist immer ein gewisses Risiko, denn in so einem Roman muss beides gut sein. Sowohl die Beschreibung eines Historienromans (Nehmen wir Ken Follets "Die Säulen der Erde" als leuchtendes Beispiel), wie auch das Gedankenexperiment der Zeitreise.
Nun ist Zeitreise ja ein klassisches Thema, und gerade der SF-Leser ist hier schon mit allen gedanklichen Modellen der Möglichkeiten und Einschränkungen von Zeitreisenden konfrontiert worden: Kann die Vergangenheit verändert werden, oder ist sie fixiert? Ist der zeitliche Ablauf der Geschichte ein chaotisches System, bei dem kleinste Änderungen große Gesamtauswirkungen haben? Oder "versanden" Änderungen in der Vergangenheit im breiten Strom der Zeit und werden in der Gegenwart nicht mehr wahrnehmbar? Alle diese Fragen wurden in vielen Romanen und ungezählten Kurzgeschichten von allen Seiten beleuchtet, und mit dem "Jesus-Video" oder "die Frau des Zeitreisenden" haben solche Themen auch schon die breite Öffentlichkeit erreicht. All das verbietet einem als gut zu bezeichnenden Science Fiction Roman, diese gedanklichen Vorarbeiten zu ignorieren und wieder ganz bei Null anzufangen.
Was passiert, wenn an und für sich gute Autoren versuchen, ohne Background im SF-Genre zu wildern, zeigen sehr schön die Versuche des Romanautors Stephen King, dessen SF-Ausflüge allesamt hölzern, unüberlegt und altmodisch wirken. Hier fehlt einfach der "fachliche" Background, der auch nicht durch eine von Kokain und Alkohol induzierte Schreibbesessenheit ersetzt werden kann.
Willis schreibt einen langen Roman, der sich viel Zeit läßt, um die Figuren zu entwickeln und den Leser mit Ihnen und Ihren Abenteuern vertraut zu machen. Die Beschreibung des Lebens eines Hausmädchens, das sich im zweiten Weltkrieg in einem herrschaftlichen Haushalt um evakuierte Kinder kümmert (Eine Historikerin, die so ihren Forschungsgegenstand im Detail kennenlernen möchte), eine Kaufhausangestellte, die im Bombenhagel in London ihre Studien über das Verhalten im Alltag machen möchte, ein Mann, der aus der Nähe den vernichtenden Rückzug der englischen Armee 1941 vom Strand von Dünkirchen beobachten und das menschliche Verhalten des "Heldenhaften" untersuchen möchte. All diese Figuren werden in einen historisch gut recherchierten Kontext gestellt, und bewegen sich in einer durchaus realistischen Kulisse. Zahlen und Fakten sind korrekt, selbst bei Dingen, bei denen man selbst feststellen muss, dass man die Verheerungen, die die deutsche Luftwaffe in England angerichtet hat, in diesem Ausmaß nie realisiert hat. Da der Roman immer wieder suggeriert, dass die Protagonisten die Vergangenheit unabsichtlich verändert haben könnten, habe ich einige Dinge auch nachgeschlagen: Während "The Blitz" starben tatsächlich über 44.000 Londoner bei den Luftangriffen, es wurden wirklich über eine Million Gebäude in England durch Sprengwirkung oder Brand zerstört.
Der historische Kontext ist korrekt, gängige Spitznamen und Bezeichnungen für die V1, für die Angriffe oder Beschwernisse des täglichen Lebens sind richtig wiedergegeben. Die vor dem inneren Auge entstehende Welt scheint stimmig, auch wenn der Autorin an manchen Stellen Seltsamkeiten passieren. So herrscht zu dieser Zeit eine strenge Nahrungsmittelrationierung, das Leben mit Essen auf Bezugmarken ist beschwerlich, trotzdem entschließen sich die Hauptpersonen an mehreren Stellen, in Kantinen "noch etwas essen zu gehen", als ob dies in dieser Zeit ohne Lebensmittelmarken möglich und eine Option gewesen wären. Manche Schilderungen des Lebens der rekrutierten Kriegshelfer scheinen doch eine Spur zu viel der durch die zeit gemilderten Rückerinnerung zu enthalten. Harris betont, sie habe sich von Verteraninnen der Helferdienste lange und ausführlich die damaligen Erlebnisse erzählen lassen - in dieser Form erzähle ich auch von meiner Schulzeit: rosarat gefärbt, und was hatten wir trotz allem für einen Spaß!
Schön ist, dass Harris sehr stark die weiblichen Helfer, die Kraftfahrerinnen, die Sanitäterinnen, die Helferinnen bei den Dechiffrierprojekten im Blick hat. Diese geben ein realistisches Bild ab, wohingegen ich mich in den männlichen Protagonisten weniger wiederfinden kann.
Alles in allem aber doch gute Voraussetzungen für ein lebensnahes und realistisches Buch. Dass das Werk in diesem Punkt trotzdem nicht meine Erwartungen erfüllt, liegt in der Harmlosigkeit der beschriebenen Personen. Ich vermisse jegliche Ecke und Kante in den beschriebenen Charakteren, ein Mangel, der bei den Hauptdarstellern in einer geradezu beeindruckenden Naivität gipfelt. Keine der Hauptpersonen ist in der Anfangszeit ernst zu nehmen. Handlungen und Motivationen sind ehrenwert, aber sie sind durch eine manchmal bis zur Begriffsstutzigkeit gedehnte Naivität ausgezeichnet, die nicht vermuten läßt, dass man es hier mit studierten Historikern zu tun haben soll.
Einen besonderer Fall stellen auch ein verwahrlostes Geschwisterpaar dar, die "Hodbins", dass während der Evakuierungen an eine der Zeitreisenden gerät und das allen mit ihren Streichen das Leben zur Hölle macht. Hier balanciert das Buch hart am Rande des Slapsticks, und hier läuft es auch Gefahr, unbeabsichtigt in eine Satire abzugleiten. Die Geschwister sind reine Abziehbilder, und der am wenigsten glaubhafte Teile des Buches, auch wenn sie im Verlauf eine immer zentralere und überraschendere Rolle einnehmen.
Wo wir auch schon beim SF-Anteil des Buches angelangt sind. Die Idee, dass Zeitreisen durch universitäre und wissenschaftliche Gremien in Oxford durchgeführt werden, ist ein amüsanter Plot. Die durchscheinende Wurstigkeit und Unprofessionalität aller Beteiligten ist aber nur schwer glaubhaft.
Zumal die Grundannahme des Buches ja lautet, dass die Zeitreisenden sehr wohl Veränderungen in der Vergangenheit vornehmen können, diese aber nicht bis die Gegenwart durchschlagen würden. Veränderungskritische historische Weggabelungen sind dabei gar nicht erreichbar. Im Verlauf des Buches wird deutlich, dass alle Beteiligte, inklusive auch der Leiter dieser Zeitreiseeinrichtung, sich gar nicht so sicher sind, ob diese Annahme tatsächlich zutrifft. Ist das denkbar? Eine Organisation schickt Tausende von Historikern, auch noch 17-jährige Collegestudenten, in alle kritischen Zeitabschnitte unsere Zeitgeschichte und läuft Gefahr, die Gegenwart durch unbedachtes Tun zu verändern. Ist sich aber gar nicht sicher, ob ein Risiko besteht oder nicht.
Eine unlogische Prämisse. Sie ist besonders ärgerlich, da das Buch über hunderte von Seiten mit der Überlegung und dem Leser spielt, dass eben doch eine Veränderung der Vergangenheit möglich ist, und diese möglicherweise bereits erfolgte Veränderung die Rückkehr der Zeitreisenden verhindert.
Eine Art who-done-it anzulegen, dass aber auf unlogischen Grundannahmen beruht, macht keinen Spaß. Das wird auch nicht dadurch besser, dass Connie Willis schon arg plump die Nase des Lesers immer wieder auf die Fährte "Veränderung der Vergangenheit" schiebt, um es dann zwei Seiten später wieder zurückzunehmen: Falscher Alarm. Das mag eine Zeitlang funktionieren, 600 Seiten lang ist das aber etwas nervig.
Und auch unlogisch: Der männliche Protagonist wird im Verlauf des Buches in Handlungen verstrickt, die in der Rettung von hunderten von Personen münden, die ohne sein Zutun gestorben wären. Die Frage, ob er nicht einfach dadurch bereits ein Teil der passierten historischen Vergangenheit sein könnte, wird gar nicht aufgeworfen. Die Figur räsoniert die nächsten 400 Seiten darüber, ob nicht dieses Eingreifen dazu führt, dass England den Krieg verliert.
Das Retten englischer Soldaten führt zur Niederlage der Allierten? Hier kommt dann als Begründung schließlich der "Schmetterlingsflügeleffekt" ins Spiel: Veränderungen in einem chaotischen System können ganz unerwartete und gegenteilige Folgen haben. Vielleicht auch hier?
Was bei kurzem Nachdenken im gewählten Handlungskontext Quatsch ist: denn dann wäre jedes Bewegen in der Vergangenheit ein potentielles auf-den-Kopf stellen der Gegenwart, egal wie und wo ich eine Veränderung vornehme. Die Idee von Gabelungspunkten ist dann sowieso hinfällig.
Nach der Hälfte des zweiten Buches, die gestrandeten Zeitreisenden haben sich in London getroffen, wird die Geschichte etwas vielschichtiger. Weitere Handlungen zu anderen Zeiten des zweiten Weltkriegs kommen hinzu, deren Zusammenhang mit der Haupthandlung bewußt verschleiert werden und die darauf hindeuten, dass die Autorin doch an einem "großen Rad" dreht, der Handlung zum Schluß hin noch einen genialen Dreh geben will.
Zur dieser Zeit verbringen die Protagonisten unzählige Seiten lang mit dem Versuch, andere Zeitreisende, die schon früher diese Zeit besucht haben, aufzufinden und deren "Drops" führ eine Rückkehr zu nutzen. Abgesehen von der guten Frage, dass das ja ein eindeutiges Zeitparadoxon ergeben würde: Es klappt nicht. Egal, was die Helden versuchen, es sind immer Kleinigkeiten oder Ereignisse, die es gerade verhindern, den Betreffenden zu finden, rechtzeitig zu erreichen oder zu kontaktieren. So, als ob gelangweilte Götter mit einem Augenzwinkern den Gestrandeten im letzten Moment ein Bein stellen würden. Hier wird der Leser (aber anscheinend nicht die Hauptfiguren) überdeutlich mit der Nase darauf gestoßen, dass bestimmte Dinge anscheinend nicht verändert werden können (oder sollen!).
Und dann kam der Moment, so nach 800 Seiten, als der inzwischen auch gestandete Leiter des Zeitreiseinstitutes den Anderen eröffnet: Ihr habet die Vergangenheit verändert, jetzt wehrt sich die Zeit, das Kontinuum, und versucht, diese Veränderung auszulöschen. Und alle, die davon betroffen wurden. Den Zeitreisenden genauso wie den vielen, die mit Ihnen in Kontakt gekommen sind. Das Kontinuum wird versuchen, sie umzubringen, um damit die Änderungen ungeschehen zu machen. Deswegen lassen sich auch keine Zeittunnels mehr öffnen. Vorbei, Rückkehr unmöglich.
An dieser Stelle war ich versucht, das Buch endgültig zuzumachen.
Dabei hat der Roman doch einige interessante Details: Die Überlegungen, wie ein "Rettungsteam" gestrandete Zeitreisende finden und wieder holen kann, ist ein gut durchdachter Gedanke. Das Rettungsteam hat in der Zukunft ja jede Zeit zur Verfügung, Leute zurückzuschicken und die Verschwundenen zu suchen. Und wenn es 50 Jahre dauert: Für die Gestrandeten ist es so, als ob das Team augenblicklich erschienen wäre (Nebenbei: Das in so einem Fall zwar eine Rückkehr möglich, aber in eine für die Zeitreisenden unbekannte Zukunft führen würde, mit dem Verlust der Angehörigen, Partner, der eigenen Zeit, ist anscheind der Autorin gar nicht bewußt geworden).
Interessant fand ich die Ideen, wie man einem Rettungsteam in der Zukunft Hinweise geben könnte: Durch kodierte zeitungsartikel, durch Anzeigen mit Namen und Informationen, die einem suchenden, zukünftigen Leser in den Zeitungsarchiven Hinweise geben würde. Das ist clever ausgearbeitet.
Die Konsequenzen von Zeitreisen, bei denen man nach Wunsch entweder zum gleichen Zeitpunkt zurückkehrt (aber trotzdem in der Vergangenheit einen jahrelangen Aufenthalt hatte, und auch entsprechend gealtert ist), wie auch der parallelen Versetzung (ich komme auch in der Gegenwart erst nach einem Jahr wieder aus der Vergangenheit zurück) , sind interessant angedacht, zusammen mit den Folgen des unterschiedlichen Alterns der Wissenschaftler.
Also habe ich das Buch wieder aufgemacht.
Es dauerte noch rund 100 Seiten, bis auch dieser unsinnige Lösungsansatz verworfen wurde, und jetzt die tatsächliche Lösung präsentiert wurde. Um zukünftigen Lesern den Spaß nicht zu verderben, möchte ich hier nicht zu sehr in die Details gehen. Soviel sei gesagt: Es war gut, noch durchgehalten zu haben: denn jetzt wird eine Lösung präsentiert, die tatsächlich eine logische Erklärung für alles liefern kann, die verschiedenen Handlungsstränge greifen ineinander, und auf den letzten 150 Seiten passieren gut angelegte Ereignisse, die den Leser überraschen und der Handlung richtig Intensität geben. Und den bekannten Varianten der Zeitreise wird sogar noch eine weitere Facette hinzugefügt.
Die seltsame Neigung der Autorin, in ihrem Roman niemanden sterben zu lassen, bekommt jetzt eine Bedeutung und überrascht den Leser am Schluss mit lapidar mitgeteilten Todesfällen, die man dem Buch gar nicht zugetraut hatte, und die damit auch völlig überraschend kamen.
Und sogar eine der Hauptfiguren überlebt die Handlung nicht, nachdem im Leser die Erwartung geweckt wurde, dass diese Person eine noch bestehende Lücke im Handlungspuzzle schließen könnte (der zukünftige Ehemann...), und niemand (zumindest ich nicht) erwartet hätte, dass sie verstirbt.
Dazu am Schluss ein paar philosophische Zeilen über Pflicht, Gewissen, Gemeinsinn und Liebe, und der Leser schlägt das Buch zu, mit einem Kloß im Hals.
Was bleibt:
Ja, es ist ein gutes Buch. Es ist handwerklich nicht schlecht gemacht. Es erweckt an einigen Stellen den Verdacht, die Autorin würde schriftstellerischer Dillentantismus reiten, aber in der rückblickenden Gesamtsicht wird klar, die Autorin wusste, was sie tut. Aber das Buch ist zu lang. Viel zu lang. Es passiert zu wenig, als dass man dies auf insgesamt 1200 Seiten wohlgefällig ausbreiten könnte, ohne den Leser zu ermüden. Zumal eine seltsame Asymetrie herrscht: Nach hunderten von Seiten dahinplätschern nimmt das Buch erst auf den letzten 200 Seiten Fahrt auf und kommt auf den Punkt. Wahrscheinlich wäre es bei schnellerem Lesetempo im Deutschen erträglicher, so aber hängt das Buch völlig durch. In wie weit das der Zweiteilung des Romans geschuldet ist, vermag ich nicht zu sagen, es drängt sich jedoch der Verdacht auf, dass die Einführung der Figuren verlängert werden musste, um überhaupt eine halbwegs abschließbare Rahmenhandlung für den ersten Band zu erzeugen. Ich glaube auch, das dass der Autorin bewußt war. Die geradezu penetranten Hinweise und Verdachtsmomente, die auf eine falsche Fährte führen sollen, wirken wie nachträglich eingefügt, und erklären damit auch, warum sie immer ein paar Seiten später wieder komplett zurückgenommen werden.
Am meisten mache ich dem Buch den Vorwurf, dass es mit einer falschen Fährte spielt, die weder stimmig und logisch ist. Dem Leser ist das zu schnell klar, und es macht nicht wirklich Spaß, den Romanfiguren 700 Seiten lang beim falschliegen zuzuschauen.
Ich habe schon bessere Historienromane gelesen, aber die beiden Bücher halten durchaus Niveau.
ich habe schon bessere SF gelesen, aber auch hier haben wir einen guten Standard.
Zusammen ergeben Sie ein Werk, das man durchaus lesen mag.
Allerdings: für mich wäre es jedoch nicht preiswürdig gewesen.
Der Beitrag wurde am Donnerstag, 26. Januar 2012 veröffentlicht und wurde unter dem Topic Science Fiction abgelegt.
'Connie Willis: Blackout / All Clear - ein Lese-Fazit'
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