Vor ein paar Tagen verfolgte ich auf Facebook eine Diskussion, dass die SF sich themenmäßig in einer Krise befinde.
Ist das so? Schauen wir doch mal in die USA und in die März-Ausgabe von ANALOG, was die Autoren in den Kurzgeschichten im Themenbereich so alles treiben.

Megan Chauduri erzählt in Rubik's Chromosomes die Geschichte einer freiberuflichen Genetikerin, die mit Hilfe ihrer Standard Computersoftware die von Eltern gewünschten Eigenschaften für deren Kinder zusammenstellt und konfiguriert.
Doch an diesem Tag bekommt sie es mit einem arabischen Ehepaar zu tun, dass nur um ihre schnelle Analyse und Expertise für einen schon zusammengestellten genetischen Code für deren zukünftiges Kind bittet.
Sie entdeckt dabei, dass der Muster-Chromosomensatz, der offensichtlich auch von den Ratsältesten der saudischen Gemeinschaft abgesegnet worden ist, Männern Kraft und Intelligenz verleiht - Frauen aber Schönheit und explizite Dummheit.
Und wenn die Genetikerin nicht aus Kostengründen mit der Freeware-Version der Analysesoftware arbeiten würde, hätte sie den subtilen Eingriff des Ehepaars übersehen, der wiederum dafür sorgt, dass diese Konfiguration des Erbguts nicht wirksam wird...
Eine interessante Überlegung und clevere Geschichte über eine Zukunft, in der Kinder nicht mehr vom Erbsatz der Eltern bestimmt werden, sondern aus Standardgenen nach Wunsch zusammengestellt werden können.

Not for Sissies von Jerry Oltion kombiniert auf sehr einfühlsame Weise zwei Themen der Science Fiction zu einer kleinen Geschichte über das Leid des zurückbleibenden Menschen nach dem Freitod seines geliebten Partners. In dieser Geschichte handelt es sich dabei um eine Zukunft, in der gleichgeschlechtliche Partnerschaften völlig normal und akzeptiert sind - und eine Welt, in der der Freitod staatliche Regelung und Unterstützung genießt. Doch das sind nur Elemente für die schöne Geschichte über Verlust und Schmerz.

Stephen L. Burns formt mit The Teacher's Gamble eine sehr konventionelle Story über den Angehörigen einer alten galaktischen Rasse, die ihre empfundene Sinnlosigkeit ihrer Existenz durch den Schutz von aufstrebenden Rassen zu bekämpfen versuchen. Die Idee der Gefahr der Selbstzerstörung junger Rassen von intelligentem Leben ist nicht gerade neu, und die Art des selbstaufopfernden Überschreitens des Gesetzes der Nichteinmischung gegenüber der Menschen, als ein schwarzes Loch die Erde zerstören würde, war aus der Wahl des Zeitpunktes (Anfang des Zwanzigsten Jahrhunderts) schon fast abzusehen - das Wesen lenkt das schwarze Loch in eine unbewohnte Gegend ab: Tungusta...
Na ja, ordentlich geschrieben, aber nichts Herausragendes.

Dem gegenüber ist David Brins nur zweiseitige Kurzgeschichte The Avalon Missions ein Juwel.
In kurzen, tagebuchähnlichen Einträgen beschreibt er das Aussenden von Forschungssonden zu einem unserer Nachbarsonnensysteme, auf denen man aufgrund von Beobachtung Leben vermutet. Und von Generation zu Generation werden von den Menschen technische bessere und aufwendigere Sonden ausgeschickt, jede einzelne schneller als die vorherige Sonde. Die letzten Sonden, mit eigener Intelligenz ausgestattet, mit menschlichem genetischen Material versehen, zerstören jeweils im Vorbeiflug ihre Vorgänger - die menschlichen Vorstellungen über angemessenen Kontakt zu fremden Lebewesen hatte sich jeweils gewandelt. Und als die zuerst ausgesendete Sonde, die unbeachtet gebliebene Mariner-16, das Zielsonnensystem nach jahrhunderte langem Flug endlich erreicht, ist die Elektronik völlig verwirrt, als sie dort nur noch zivilisatorische Überreste vorfindet: von Aliens und von Menschen...
Ein eigentlich naheliegender Gedankengang in eine superknappe Kurzgeschichte gepackt, perfekt inszeniert. Sehr schön!

Maggie Clark erzählt in aus einer dystopischen Zukunft, in der eine reine Mission von weiblichen Astronauten zur Marsstation geschickt werden. Bei aller Gleichberechtigung nur aus dem Grund, weil sie für die männlichen Siedlern dort als Frauen benötigt werden.
Interessant, dass diese Überlegung, die in den Zeiten der Besiedlung Amerikas ganz selbstverständlich galt und diverse derartiger "Missionen" von in die neue Welt gesandter Schiffe voller Frauen betrafen, in unserer heutigen Welt wie aus der Zeit gefallen zu sein scheint.
Gut geschrieben, mit einem Schuss bissiger Kritik.
Der Beitrag wurde am Sonntag, 16. März 2014 veröffentlicht und wurde unter dem Topic Watching Short Stories abgelegt.
'Ein Blick in ANALOG - Ausgabe März 2014'

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