Kundenkarte
von Klaus Marion.
Veröffentlicht in VORSICHT 10/2012
Der Einkauf in Filialen eines durch Film, Funk und Fernsehen nicht ganz unbekannten skandinavischen Möbelgeschäfts ist schon aufgrund der schieren Menge des Angebots immer ein ganz besonderes Erlebnis.
Dies wird durch den Willen der Firma unterstützt, neben freundlicher Bedienung auch Probleme im Kassenbereich gar nicht erst aufkommen zu lassen, sondern den Einkauf zu einem Erlebnis zu machen, das man nicht mehr vergisst.
Es war letzten Samstag, als wir einmal wieder einen Besuch in unserem Lieblingseinrichtungshaus machten. Besuche an Wochenenden haben dort immer den Charakter eines Tagesausflugs. Man schiebt sich durch die Menschenmassen, betrachtet interessante Einrichtungs- und Gestaltungsideen und verschafft sich einen Eindruck, wie die Designvorschläge aus dem Katalog in natura wirken würden. Genau genommen, wie der Eindruck bei einer völlig überfüllten Stehparty wäre.
Nun, wir wanderten durch die Gänge, beluden unseren Wagen mit allerlei dekorativen Gegenständen (dem Schneidebrett Klapper, der Vasenkombination Dödeldu sowie einem kleinen Wandschränkchen namens Rumhänga).
Nach kaum 5 Stunden Einkaufserlebnis suchten wir uns, jetzt doch recht erschöpft, eine der Kassen aus. Zum Glück gibt es von diesen eine ganze Menge, und so dauerte es auch nur wenige Minuten, bis wir unseren Berg an Klein- und Großwaren auf das Rollband geladen und den verbliebenden Rest zu dem gut gelaunten Verkäufer mittleren Alters geschoben hatten. Meine Frau hatte noch eine Bitte.
„Das Regal hier ist Büromöbel und geht auf Firmenkundenkarte und Rechnung meines Arbeitgebers. Das soll ich mitbringen. Müssen wir das getrennt machen?“
„Nein, das kennzeichne ich während der Eingabe. Kein Problem!“
Wir bezahlten den Privatanteil der Rechnung, während der Verkäufer die Kundenkarte des Arbeitgebers meine Frau durch den Leseschlitz seiner Kasse zog. Es gab ein lautes ‚Piiiep‘.
Der Verkäufer zögerte.
„Oh, da stimmt was nicht.“ Er beugte sich über sein Kassendisplay und las den roten Warnbalken: ‚Rufen Sie *851‘.
Er nahm ein Telefon. Die hinter uns Wartenden starrten uns in dumpfer Vorahnung an.
„Hallo, hier ist 45554323. Ich habe einen 6553 mit *851. Was soll ich tun?“ Er lauschte lange.
„Ach so!.“ Er legte auf.
„Es tut mir leid, aber das Finanz-Callcenter sagt mir, dass eine Firmenkarte mit dieser Nummer nicht existiert!“
Ich wies stumm auf die Karte, bei der diese Nummer aber deutlich eingeprägt war.
Er dachte kurz über diesen Widerspruch nach, dann wählte er erneut die gleiche Nummer.
„Hallo? Ja? Doch, die Nummer existiert! Ich sehe sie! HALLO!“
Er hielt die Muschel des Telefons zu. „Oh je. Es ist das Callcenter in Karatschi. Die verstehen einen immer so schlecht! Wissen Sie, immer wenn es Probleme mit Karten oder Zahlungsweisen gibt, sagt uns unsere Kasse genau, welches Callcenter wir anrufen sollen. Dort hilft man uns dann weiter. Ist ja auch ein Vorteil für den Kunden, so eine direkte sachgerechte Hilfe!“
Er drehte sich wieder zur Kasse.
„Ja HALLO, ich habe hier ein Problem mit einer ZAHLUNG. KARTE wird nicht akzeptiert. NEIN, KARTE SOLL ANGEBLICH NICHT EXISTIEREN! Nein, ich glaube NICHT AN EINEN BETRUG!“
Mit einem Schlag war die Lautstärke im bahnhofshallengleichen Kassenbereich auf knapp unter Null gefallen. Tausende von wartenden Kunden starrten uns an, begierig, das Bezahldrama um diese windigen Betrüger genau mit zu verfolgen. Selbst die frustrierten Wartenden hinter uns blickten uns mit frisch erwachter Neugier an.
„Ja, ich versuche ein 38!“ Er tippte wild auf der Kasse.
„Haben Sie Ihren Ausweis dabei?“
„Hören Sie, lassen Sie es gut sein! Wir klären das mit der Firmenkarte ein anderes Mal und zahlen das Regal einfach jetzt selber!“
„Nein, nein! Der Kunde ist bei uns König! Das ist unser Motto“
Er beugte sich zu einem Mikrofon vor: „KASSENAUFSICHT ZU 35: KARTE WIRD NICHT AKZEPTIERT!“
Erneut waren wir uns der allgemeinen und ungeteilten Aufmerksamkeit sicher.
Eine kompetent aussehende Dame rauschte heran. Die beiden berieten sich lange:
„Und das Callcenter? Was haben die Dir gesagt?“ „Weiß es auch nicht. Vielleicht ein 17-13?“ „Hast Du mal ein 15-48 versucht?“ Sie tippten allerlei in die sich weiterhin weigernde Kasse.
Die nach uns wartenden Personen warfen uns jetzt tödliche Blicke zu, murmelten etwas von ‚Wer kein Geld hat, sollte auch nicht einkaufen‘ und zerrten ihre Waren wieder vom Rollband, um sich eine andere Kasse zu suchen und sich erneut hinten anzustellen. Ein vierschrötig aussehender Kerl deutete gleichermaßen pantomimisch wie plastisch an, was mir geschehen würde, sollte ich ihm noch einmal über den Weg laufen.
Auch der Rest meiner Familie wurde langsam ungeduldig.
„Wissen Sie was? Wir lassen das Regal hier und nehmen nur unsere Sachen mit!“
„Es tut mir leid, leider kann ich den Firmenposten nicht mehr stornieren.“
„Dann stornieren Sie doch alles!“
„Dann geht aber ihr Schrank in Reservierung und kann nicht mehr verkauft werden. Da haben wir inzwischen eine Prioritätsbestellung reinbekommen. Wissen sie was, ich parke Ihren Einkauf erst mal elektronisch und rufe noch einmal das Callcenter. Hallo, Callcenter?“
Die Kassenaufsicht sowie deren inzwischen ebenfalls erschienene Vorgesetzte erläuterten uns derweilen ausführlich, dass die Entscheidungen über den Zahlungsvorgang an zentrale Servicestellen ausgelagert worden sind. „Damit es nicht zu Fehlern durch unsere Kassenmitarbeiter kommen kann. Alles für den Kunden ist unsere Devise!“
Meine Tochter hatte in der Zwischenzeit am Imbissstand eine volle Mahlzeit eingenommen und kam nach einem ausgedehnten Rundgang wieder herbei geschlendert.
Inzwischen schien der herbeigeeilte Abteilungsleiter mit einer Zentrale in Amsterdam zu sprechen, wie sie den Einkauf in unserem Sinne positiv abwickeln könnten. Zu unserer Bequemlichkeit wurde die Sitzgruppe Sitzplötz neben der Kasse aufgebaut.
Meine Frau war inzwischen zu allem bereit.
„Lass uns einfach unauffällig verschwinden.“
„Und unser Geld? Die haben unsere EC-Karte schon belastet!“
„Das ist jetzt egal. Ich will nur weg!“
Wir wollten gerade uns vorsichtig erheben, als uns eine freudige Nachricht überbracht werden konnte.
„Wir haben das Problem gelöst! Die Karte war deaktiviert. Gehen Sie noch mal nach oben zum Business-Schalter und lassen Sie sich für den Kartenkauf einfach eine Autorisierungsnummer geben. Dann kommen Sie wieder herunter, wir können diese hier eingeben, und ruck-zuck haben Sie ihre Sachen…Hallo? Wo wollen Sie denn hin? Hallo?“
von Klaus Marion.
Veröffentlicht in VORSICHT 10/2012
Der Einkauf in Filialen eines durch Film, Funk und Fernsehen nicht ganz unbekannten skandinavischen Möbelgeschäfts ist schon aufgrund der schieren Menge des Angebots immer ein ganz besonderes Erlebnis.
Dies wird durch den Willen der Firma unterstützt, neben freundlicher Bedienung auch Probleme im Kassenbereich gar nicht erst aufkommen zu lassen, sondern den Einkauf zu einem Erlebnis zu machen, das man nicht mehr vergisst.
Es war letzten Samstag, als wir einmal wieder einen Besuch in unserem Lieblingseinrichtungshaus machten. Besuche an Wochenenden haben dort immer den Charakter eines Tagesausflugs. Man schiebt sich durch die Menschenmassen, betrachtet interessante Einrichtungs- und Gestaltungsideen und verschafft sich einen Eindruck, wie die Designvorschläge aus dem Katalog in natura wirken würden. Genau genommen, wie der Eindruck bei einer völlig überfüllten Stehparty wäre.
Nun, wir wanderten durch die Gänge, beluden unseren Wagen mit allerlei dekorativen Gegenständen (dem Schneidebrett Klapper, der Vasenkombination Dödeldu sowie einem kleinen Wandschränkchen namens Rumhänga).
Nach kaum 5 Stunden Einkaufserlebnis suchten wir uns, jetzt doch recht erschöpft, eine der Kassen aus. Zum Glück gibt es von diesen eine ganze Menge, und so dauerte es auch nur wenige Minuten, bis wir unseren Berg an Klein- und Großwaren auf das Rollband geladen und den verbliebenden Rest zu dem gut gelaunten Verkäufer mittleren Alters geschoben hatten. Meine Frau hatte noch eine Bitte.
„Das Regal hier ist Büromöbel und geht auf Firmenkundenkarte und Rechnung meines Arbeitgebers. Das soll ich mitbringen. Müssen wir das getrennt machen?“
„Nein, das kennzeichne ich während der Eingabe. Kein Problem!“
Wir bezahlten den Privatanteil der Rechnung, während der Verkäufer die Kundenkarte des Arbeitgebers meine Frau durch den Leseschlitz seiner Kasse zog. Es gab ein lautes ‚Piiiep‘.
Der Verkäufer zögerte.
„Oh, da stimmt was nicht.“ Er beugte sich über sein Kassendisplay und las den roten Warnbalken: ‚Rufen Sie *851‘.
Er nahm ein Telefon. Die hinter uns Wartenden starrten uns in dumpfer Vorahnung an.
„Hallo, hier ist 45554323. Ich habe einen 6553 mit *851. Was soll ich tun?“ Er lauschte lange.
„Ach so!.“ Er legte auf.
„Es tut mir leid, aber das Finanz-Callcenter sagt mir, dass eine Firmenkarte mit dieser Nummer nicht existiert!“
Ich wies stumm auf die Karte, bei der diese Nummer aber deutlich eingeprägt war.
Er dachte kurz über diesen Widerspruch nach, dann wählte er erneut die gleiche Nummer.
„Hallo? Ja? Doch, die Nummer existiert! Ich sehe sie! HALLO!“
Er hielt die Muschel des Telefons zu. „Oh je. Es ist das Callcenter in Karatschi. Die verstehen einen immer so schlecht! Wissen Sie, immer wenn es Probleme mit Karten oder Zahlungsweisen gibt, sagt uns unsere Kasse genau, welches Callcenter wir anrufen sollen. Dort hilft man uns dann weiter. Ist ja auch ein Vorteil für den Kunden, so eine direkte sachgerechte Hilfe!“
Er drehte sich wieder zur Kasse.
„Ja HALLO, ich habe hier ein Problem mit einer ZAHLUNG. KARTE wird nicht akzeptiert. NEIN, KARTE SOLL ANGEBLICH NICHT EXISTIEREN! Nein, ich glaube NICHT AN EINEN BETRUG!“
Mit einem Schlag war die Lautstärke im bahnhofshallengleichen Kassenbereich auf knapp unter Null gefallen. Tausende von wartenden Kunden starrten uns an, begierig, das Bezahldrama um diese windigen Betrüger genau mit zu verfolgen. Selbst die frustrierten Wartenden hinter uns blickten uns mit frisch erwachter Neugier an.
„Ja, ich versuche ein 38!“ Er tippte wild auf der Kasse.
„Haben Sie Ihren Ausweis dabei?“
„Hören Sie, lassen Sie es gut sein! Wir klären das mit der Firmenkarte ein anderes Mal und zahlen das Regal einfach jetzt selber!“
„Nein, nein! Der Kunde ist bei uns König! Das ist unser Motto“
Er beugte sich zu einem Mikrofon vor: „KASSENAUFSICHT ZU 35: KARTE WIRD NICHT AKZEPTIERT!“
Erneut waren wir uns der allgemeinen und ungeteilten Aufmerksamkeit sicher.
Eine kompetent aussehende Dame rauschte heran. Die beiden berieten sich lange:
„Und das Callcenter? Was haben die Dir gesagt?“ „Weiß es auch nicht. Vielleicht ein 17-13?“ „Hast Du mal ein 15-48 versucht?“ Sie tippten allerlei in die sich weiterhin weigernde Kasse.
Die nach uns wartenden Personen warfen uns jetzt tödliche Blicke zu, murmelten etwas von ‚Wer kein Geld hat, sollte auch nicht einkaufen‘ und zerrten ihre Waren wieder vom Rollband, um sich eine andere Kasse zu suchen und sich erneut hinten anzustellen. Ein vierschrötig aussehender Kerl deutete gleichermaßen pantomimisch wie plastisch an, was mir geschehen würde, sollte ich ihm noch einmal über den Weg laufen.
Auch der Rest meiner Familie wurde langsam ungeduldig.
„Wissen Sie was? Wir lassen das Regal hier und nehmen nur unsere Sachen mit!“
„Es tut mir leid, leider kann ich den Firmenposten nicht mehr stornieren.“
„Dann stornieren Sie doch alles!“
„Dann geht aber ihr Schrank in Reservierung und kann nicht mehr verkauft werden. Da haben wir inzwischen eine Prioritätsbestellung reinbekommen. Wissen sie was, ich parke Ihren Einkauf erst mal elektronisch und rufe noch einmal das Callcenter. Hallo, Callcenter?“
Die Kassenaufsicht sowie deren inzwischen ebenfalls erschienene Vorgesetzte erläuterten uns derweilen ausführlich, dass die Entscheidungen über den Zahlungsvorgang an zentrale Servicestellen ausgelagert worden sind. „Damit es nicht zu Fehlern durch unsere Kassenmitarbeiter kommen kann. Alles für den Kunden ist unsere Devise!“
Meine Tochter hatte in der Zwischenzeit am Imbissstand eine volle Mahlzeit eingenommen und kam nach einem ausgedehnten Rundgang wieder herbei geschlendert.
Inzwischen schien der herbeigeeilte Abteilungsleiter mit einer Zentrale in Amsterdam zu sprechen, wie sie den Einkauf in unserem Sinne positiv abwickeln könnten. Zu unserer Bequemlichkeit wurde die Sitzgruppe Sitzplötz neben der Kasse aufgebaut.
Meine Frau war inzwischen zu allem bereit.
„Lass uns einfach unauffällig verschwinden.“
„Und unser Geld? Die haben unsere EC-Karte schon belastet!“
„Das ist jetzt egal. Ich will nur weg!“
Wir wollten gerade uns vorsichtig erheben, als uns eine freudige Nachricht überbracht werden konnte.
„Wir haben das Problem gelöst! Die Karte war deaktiviert. Gehen Sie noch mal nach oben zum Business-Schalter und lassen Sie sich für den Kartenkauf einfach eine Autorisierungsnummer geben. Dann kommen Sie wieder herunter, wir können diese hier eingeben, und ruck-zuck haben Sie ihre Sachen…Hallo? Wo wollen Sie denn hin? Hallo?“
Der Beitrag wurde am Freitag, 25. Januar 2013 veröffentlicht und wurde unter dem Topic Satiren - VORSICHT abgelegt.
'Kundenkarte - Satire in VorSICHT Oktober 2012'
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