Soziale Kontakte
von Klaus Marion.
Veröffentlicht in VORSICHT 6/2012
Jeder Mann kennt diese Situation. Er sitzt am Steuer, die Partnerin befindet sich auf dem Beifahrersitz, man unterhält sich angeregt über tiefschürfende aktuell-kulturelle Fragen, ein Fahrzeug auf der Gegenfahrbahn hat einen freundlich Vorbeigelassen, man setzt gerade zu einer Erläuterung über Boatengs Zweikampfverhalten an, und…
„Du hättest Dich auch bedanken können!“
„Bei Boateng?“
„Nein, bei dem armen Mann, der Dich da gerade vorbeigelassen hat!“
„Aber ich habe mich doch bedankt!“
Er ist verwirrt. Die Frau ist verwirrt.
Und da hat sie wieder zugeschlagen: Die epische Sprachverwirrung zwischen Männern und Frauen im Straßenverkehr.
Wir Männer wissen: Wenn weibliche Autofahrer sich bei anderen Verkehrsteilnehmern bedanken, geschieht das unter Einsatz des ganzen zur Verfügung stehenden Fundus an Gesten und Bewegungen. Da wird gewinkt und gewedelt, als ob die beste Freundin für immer am Bahnhof verabschiedet würde, pantomimische Dankesreden werden hinter der Windschutzscheibe gehalten, manchmal gar das Fenster heruntergekurbelt und zusammen mit einem Lächeln ein Wort des Dankes gerufen. Alles Dinge, die in dieser ausufernden Form uns Männern völlig fremd sind. Die Symbolik des autofahrenden Mannes ist in diesem Bereich viel subtiler und geprägt von der Millionen Jahre alten jagd unserer Vorfahren in den Weiten der Savanne, bei der laute Rufer entweder hungrig oder als Mittagessen für den nächsten Löwen endeten. Sparsamkeit der Gesten war essentiell.
Um es jedoch auch weiblichen Verkehrsteilnehmern zu ermöglichen, die ablaufenden symbolischen Gespräche wahrzunehmen und richtig einzuordnen, hier endlich einmal in der VorSICHT, dem Fachblatt für tägliche Verhaltenspsychologie, die wichtigsten männlichen Autofahrergesten des Dankes.
Der “Bedank-mich-Finger“
Auf der Gegenfahrbahn parken Autos, also muss der mir entgegenkommende Verkehrsteilnehmer warten. Viele Fahrer ignorieren solche lästigen Pflichten und fahren einfach munter auf die Gegenfahrbahn und zwingen mich dadurch, zur Vermeidung eines Frontalzusammenstoßes stehen zu bleiben und den widerrechtlich Überholenden zähneknirschend vorbeizulassen.
Bleibt aber der andere Fahrer brav stehen, so ist es an der Zeit, sich in geeigneter Weise zu bedanken.
Dies geschieht üblicherweise mit dem angehobenen Finger. Dabei wird der Zeigefinger der linken Hand am Lenkrad um maximal 20 Grad nach oben gehoben, um dann sofort wieder fallengelassen zu werden. Die ungefähre Bedeutung dieser Geste lautet übersetzt:
„Danke, ich weiß, ich habe Vorfahrt, Du weißt, ich habe Vorfahrt, ich kann aber trotzdem schätzen, dass du Wicht stehengeblieben bist!“
Bei Vorgesetzten oder guten Nachbarn kann diese Geste durch komplettes Austrecken des Zeigefingers oberhalb des Lenkrads allein oder zusammen mit dem Mittelfinger verstärkt und mehr Höflichkeit gegeben werden. Diese Geste ist aber nicht mit dem alleinigen Ausstrecken des mittleren Fingers zu verwechseln, die bei nervigen Bekannten oder Finanzbeamten zum Einsatz kommen kann und deren Bedeutung wir in einer anderen Folge vertiefen möchten.
Das „Dezente-Okay-Nicken“
Bei Freundlichkeiten oder dem Vorlassen an Kreuzungen kommt das „Dezente-Okay-Nicken“ zum Einsatz. Zu diesem Zweck wird der Kopf leicht nach unten geneigt und dieser dabei nach links angeschrägt. Auch hier ist ein unübertriebener Einsatz zu bevorzugen, der gegenüber Bekannten oder wichtigen Würdenträgern (Bürgermeister, Papst, Bundespräsident) in Ausnahmefällen durch ein minimal angedeutetes Lächeln erweitert werden kann. Bedeutung: „Stand mir zu, aber ich weiß Ihr Verhalten zu schätzen!“
Nicht zu verwechseln mit dem „Sorry-Nicken“, dass beim Überfahren von roten Ampeln, schneiden von Verkehrsteilnehmern oder dem Erzwingen von gar nicht vorhandener Vorfahrt zum Einsatz kommt! Hier neigt der Mann den Kopf bis zur Brust und verharrt so ca. 1 Sekunde, manchmal (überfahrene Katze, vom Sattel gefallener Radfahrer) unterstützt durch das Abheben der kompletten Handfläche vom Lenkrad, ohne den auf der Seitenscheibe aufgelegten Arm am Steuer merklich zu bewegen. Die Bedeutung hier lautet: „Jaaaa! Du hattest recht! Aber jetzt ist gut!“
Das „Augenliedergleiten“
Für kleinere Gesten des Dankes werden bei Männern besonders subtile Formen der Kommunikation gewählt. So auch das „Augenliedergleiten“. Dabei werden die Augenlieder langsam um ca 5 Millimeter gesenkt, um danach wieder leicht in die Höhe gehoben zu werden. Wichtig dabei ist, weder den Blick in die Richtung des Empfängers der Geste zu lenken, noch den restlichen Körper in irgendeiner Weise zu bewegen. Diese Minimalgeste kann als einfaches „Danke“ beschrieben werden.
Genetische Untersuchungen haben gezeigt, dass Männer solche Gesten schon aus 500 Metern Entfernung ohne Probleme erfassen können – verständlich, denn beim Schwingen unserer affenartigen Vorfahren von Ast zu Ast konnte es sonst leicht zu bedauerlichen und letalen Abstürzen kommen.
.
Die „Danke fürs reinlassen-Hand“
Ob Ihrer Extravertiertheit geradezu ausufernde Geste wird diese beim Einfädeln auf Autobahnen oder in einen Verkehrsstau genutzt. Nachdem der männliche Fahrer sich in die Lücke gezwängt hat, erhebt er lässig die rechte Hand, dass Ellenbogengelenk seitlich um 90 Grad zur Schulter abgewinkelt. Ein leichtes Zurückklappen der Hand (Mussolini-Stil) unterstützt den symbolischen Charakter dieser Dankesgeste, die ihre betonte Lässigkeit auch aus der Tatsache bezieht, dass man die Hand mindestens 3 Sekunden in dieser Position belässt, um sie dann kraftlos sinken zu lassen.
Übersetzte Bedeutung: „Ich weiß, dass Du mich gar nicht reinlassen wolltest, Affenkopf, aber da musst Du früher aufstehen. Da nützt Dein Lichthupen gar nichts! Netter Versuch!“
Unter Berücksichtigung der hier vorgenommenen Auflistung dieser männlichen Gesten ist es damit jeder Frau in Zukunft möglich, die tatsächliche Höflichkeit des Mannes als Autofahrer live mit zu verfolgen und angemessen zu würdigen.
von Klaus Marion.
Veröffentlicht in VORSICHT 6/2012
Jeder Mann kennt diese Situation. Er sitzt am Steuer, die Partnerin befindet sich auf dem Beifahrersitz, man unterhält sich angeregt über tiefschürfende aktuell-kulturelle Fragen, ein Fahrzeug auf der Gegenfahrbahn hat einen freundlich Vorbeigelassen, man setzt gerade zu einer Erläuterung über Boatengs Zweikampfverhalten an, und…
„Du hättest Dich auch bedanken können!“
„Bei Boateng?“
„Nein, bei dem armen Mann, der Dich da gerade vorbeigelassen hat!“
„Aber ich habe mich doch bedankt!“
Er ist verwirrt. Die Frau ist verwirrt.
Und da hat sie wieder zugeschlagen: Die epische Sprachverwirrung zwischen Männern und Frauen im Straßenverkehr.
Wir Männer wissen: Wenn weibliche Autofahrer sich bei anderen Verkehrsteilnehmern bedanken, geschieht das unter Einsatz des ganzen zur Verfügung stehenden Fundus an Gesten und Bewegungen. Da wird gewinkt und gewedelt, als ob die beste Freundin für immer am Bahnhof verabschiedet würde, pantomimische Dankesreden werden hinter der Windschutzscheibe gehalten, manchmal gar das Fenster heruntergekurbelt und zusammen mit einem Lächeln ein Wort des Dankes gerufen. Alles Dinge, die in dieser ausufernden Form uns Männern völlig fremd sind. Die Symbolik des autofahrenden Mannes ist in diesem Bereich viel subtiler und geprägt von der Millionen Jahre alten jagd unserer Vorfahren in den Weiten der Savanne, bei der laute Rufer entweder hungrig oder als Mittagessen für den nächsten Löwen endeten. Sparsamkeit der Gesten war essentiell.
Um es jedoch auch weiblichen Verkehrsteilnehmern zu ermöglichen, die ablaufenden symbolischen Gespräche wahrzunehmen und richtig einzuordnen, hier endlich einmal in der VorSICHT, dem Fachblatt für tägliche Verhaltenspsychologie, die wichtigsten männlichen Autofahrergesten des Dankes.
Der “Bedank-mich-Finger“
Auf der Gegenfahrbahn parken Autos, also muss der mir entgegenkommende Verkehrsteilnehmer warten. Viele Fahrer ignorieren solche lästigen Pflichten und fahren einfach munter auf die Gegenfahrbahn und zwingen mich dadurch, zur Vermeidung eines Frontalzusammenstoßes stehen zu bleiben und den widerrechtlich Überholenden zähneknirschend vorbeizulassen.
Bleibt aber der andere Fahrer brav stehen, so ist es an der Zeit, sich in geeigneter Weise zu bedanken.
Dies geschieht üblicherweise mit dem angehobenen Finger. Dabei wird der Zeigefinger der linken Hand am Lenkrad um maximal 20 Grad nach oben gehoben, um dann sofort wieder fallengelassen zu werden. Die ungefähre Bedeutung dieser Geste lautet übersetzt:
„Danke, ich weiß, ich habe Vorfahrt, Du weißt, ich habe Vorfahrt, ich kann aber trotzdem schätzen, dass du Wicht stehengeblieben bist!“
Bei Vorgesetzten oder guten Nachbarn kann diese Geste durch komplettes Austrecken des Zeigefingers oberhalb des Lenkrads allein oder zusammen mit dem Mittelfinger verstärkt und mehr Höflichkeit gegeben werden. Diese Geste ist aber nicht mit dem alleinigen Ausstrecken des mittleren Fingers zu verwechseln, die bei nervigen Bekannten oder Finanzbeamten zum Einsatz kommen kann und deren Bedeutung wir in einer anderen Folge vertiefen möchten.
Das „Dezente-Okay-Nicken“
Bei Freundlichkeiten oder dem Vorlassen an Kreuzungen kommt das „Dezente-Okay-Nicken“ zum Einsatz. Zu diesem Zweck wird der Kopf leicht nach unten geneigt und dieser dabei nach links angeschrägt. Auch hier ist ein unübertriebener Einsatz zu bevorzugen, der gegenüber Bekannten oder wichtigen Würdenträgern (Bürgermeister, Papst, Bundespräsident) in Ausnahmefällen durch ein minimal angedeutetes Lächeln erweitert werden kann. Bedeutung: „Stand mir zu, aber ich weiß Ihr Verhalten zu schätzen!“
Nicht zu verwechseln mit dem „Sorry-Nicken“, dass beim Überfahren von roten Ampeln, schneiden von Verkehrsteilnehmern oder dem Erzwingen von gar nicht vorhandener Vorfahrt zum Einsatz kommt! Hier neigt der Mann den Kopf bis zur Brust und verharrt so ca. 1 Sekunde, manchmal (überfahrene Katze, vom Sattel gefallener Radfahrer) unterstützt durch das Abheben der kompletten Handfläche vom Lenkrad, ohne den auf der Seitenscheibe aufgelegten Arm am Steuer merklich zu bewegen. Die Bedeutung hier lautet: „Jaaaa! Du hattest recht! Aber jetzt ist gut!“
Das „Augenliedergleiten“
Für kleinere Gesten des Dankes werden bei Männern besonders subtile Formen der Kommunikation gewählt. So auch das „Augenliedergleiten“. Dabei werden die Augenlieder langsam um ca 5 Millimeter gesenkt, um danach wieder leicht in die Höhe gehoben zu werden. Wichtig dabei ist, weder den Blick in die Richtung des Empfängers der Geste zu lenken, noch den restlichen Körper in irgendeiner Weise zu bewegen. Diese Minimalgeste kann als einfaches „Danke“ beschrieben werden.
Genetische Untersuchungen haben gezeigt, dass Männer solche Gesten schon aus 500 Metern Entfernung ohne Probleme erfassen können – verständlich, denn beim Schwingen unserer affenartigen Vorfahren von Ast zu Ast konnte es sonst leicht zu bedauerlichen und letalen Abstürzen kommen.
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Die „Danke fürs reinlassen-Hand“
Ob Ihrer Extravertiertheit geradezu ausufernde Geste wird diese beim Einfädeln auf Autobahnen oder in einen Verkehrsstau genutzt. Nachdem der männliche Fahrer sich in die Lücke gezwängt hat, erhebt er lässig die rechte Hand, dass Ellenbogengelenk seitlich um 90 Grad zur Schulter abgewinkelt. Ein leichtes Zurückklappen der Hand (Mussolini-Stil) unterstützt den symbolischen Charakter dieser Dankesgeste, die ihre betonte Lässigkeit auch aus der Tatsache bezieht, dass man die Hand mindestens 3 Sekunden in dieser Position belässt, um sie dann kraftlos sinken zu lassen.
Übersetzte Bedeutung: „Ich weiß, dass Du mich gar nicht reinlassen wolltest, Affenkopf, aber da musst Du früher aufstehen. Da nützt Dein Lichthupen gar nichts! Netter Versuch!“
Unter Berücksichtigung der hier vorgenommenen Auflistung dieser männlichen Gesten ist es damit jeder Frau in Zukunft möglich, die tatsächliche Höflichkeit des Mannes als Autofahrer live mit zu verfolgen und angemessen zu würdigen.
Der Beitrag wurde am Mittwoch, 19. Dezember 2012 veröffentlicht und wurde unter dem Topic Satiren - VORSICHT abgelegt.
'Soziale Kontakte - Satire in VorSICHT Juli 2012'
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