Dass ich Kurzgeschichten liebe, hat sich ja bei den Meisten schon herumgesprochen. Ich habe Hunderte (wahrscheinlich Tausende) davon: Als Krimis, als Science Fiction Stories, als Horrorgeschichten, als einfache Erzählungen.
Wieviel es genau sind, vermag ich gar nicht so genau zu sagen.
Was daran liegt, dass sie in bei uns in Buchdeckeln eingesperrt sind.


Kurzgeschichten, in ihrer strengen Form im englischen als Short Story bezeichnet, sind ein amerikanisches Produkt, und nicht wirklich in Deutschland beheimatet. Wenn bei uns Kurzgeschichten veröffentlicht werden, dann sind sie eigentlich immer in Büchern zusammengefasst - und meistens Übersetzungen aus dem angelsächsischen.
Natürlich gibt es auch im Deutschen diese Erzählform - sie ist aber nie bei der breiten Masse angekommen, und es gibt auch gar keinen Markt dafür.
Denn, und das muss man auch mal ganz deutlich sagen, im angelsächsischen ist die Short-Story oder Novelette der Tatsache geschuldet, dass dort in vielen Bereichen Literatur in Heften und Zeitschriften veröffentlicht wird. Und da auch in Amerika Kurzgeschichten nach der Anzahl der Worte bezahlt werden, ist das zwar für manch einen Autor eine Möglichkeit, überhaupt mal etwas zu veröffentlichen - aber leben kann man davon nicht wirklich. Diese Form der "Zeitschriftenliteratur" ist etwas uramerikanisches und stammt noch aus den Pioniertagen, wo eine Zeitung oder Zeitschrift eher zu bekommen und zu drucken war, als ein ganzes Buch (man denke übrigens an "Rowohlts Rotations Romane", rororo, als nach dem Krieg Bücher mangels Möglichkeiten auf Zeitungspapier gedruckt wurden).
Und im "Playboy" werden tatsächlich hochwertige Kurzgeschichten veröffentlicht. Weil man in den USA Literatur halt auch in Zeitschriften packt...

Kurzgeschichten stellen besondere Anforderungen an den Autor: Mit beschränktem Platz und Worten, muss er trotzdem eine ganze Geschichte vor dem Auge des Lesers entstehen lassen. In der Kurzgeschichte ist kein Platz für langatmige Erklärungen. Personen, Handlungsstränge, Orte: Alle müssen schnell und prägnant dem Leser nahegebracht werden. Und das geht nur mit Hilfe des Lesers selber. Wo ein Tolkien in seinen Romanen in enervierend epischer Breite seitenlange Beschreibungen von Landschaften, minutiös und detailliert vorgetragen, dem Leser darbringen konnte, muss für den Kurzgeschichtenschreiber die Vorstellungsgabe des Lesers eingreifen. Hier wird aus dem "düsteren, bedrohliche Schatten werfenden Wald" ein inneres Bild, das durch die Wortwahl so gestaltet sein muss, dass es der unausgesprochenen Vorstellung des Autor soweit entspricht, dass es die Handlung trägt. Wahrlich nicht einfach.

Auch an die Handlung der Kurzgeschichte werden höhere Anforderungen gestellt, als an so manchen Roman. Denn die Möglichkeit, einen dünnen Handlungsfaden einfach dadurch zu verstärken, in dem man den Leser mit Mengen von Seiten und Dialogen einfach zuschwafelt, hat der Kurzgeschichtenschreiber nicht. Trägt seine Handlungsidee nicht, dann ist die ganze Geschichte Mist.
Ein Autor, der gute Kurzgeschichten schreibt, ist durch eine harte Schule gegangen, die es ihm erlaubt, auch handwerklich gute Romane zu schreiben. Doch es ist überraschend, wie viel Autoren (und hier spreche ich die SF-Leser an), bei den Kurzgeschichten geblieben sind. Weil Sie diese prägnante Form lieben gelernt haben.

Nicht unerwähnt sollte der Hinweis bleiben, dass die Kurzgeschichte die ideale Form darstellt, mit dem Lesen von englischen Texten Bekanntschaft zu schließen. Die Zahl der Seiten ist überschaubar, die Handlung meist auch, und die Griffe zum Wörterbuch sind ebenfalls nicht unerträglich hoch. Und wenn's einem nicht gefällt, dann springt man halt zur nächsten Geschichte.

Ich habe 100 Kurzgeschichten aus meinem Bücherschrank gezogen, die ich beeindruckend, interessant oder einfach klasse fand. Alle Genre sind vertreten. Lesenswert sind sie allemal.
Ich lege für meine Serie im übrigen den Begriff der Kurzgeschichte sehr weit aus. In meiner Reihe kommt alles vor, was nicht als einzelnes Buch normalen Umfangs zur Veröffentlichung kam. Neben der Shortstory mit 5000-1000 Wörtern sind hier auch Novelettes vertreten, die zur Not auch noch als dünnes Romanbüchlein durchgehen könnten.

Alle Bücher sind über den Buchhandel oder Amazon erhältlich, zumindest als antiquarische Ausgabe oder als eBook.

Viel Spaß mit 100 Kurzgeschichten!
Der Beitrag wurde am Donnerstag, 22. November 2012 veröffentlicht und wurde unter dem Topic 100 Kurzgeschichten abgelegt.
'100 Kurzgeschichten ~ Tag 0: Eine kleine Einleitung'

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