initiativ-Wirtschaftsmagazin für Führungskräfte Tagebuch eines Tierhalters
veröffentlicht in initiativ 3/2007


Zum wiederholten Mal haben Studien die positive Wirkungen von am Arbeitsplatz gehaltenen Haustieren auf das Arbeitsklima nachgewiesen. Gerade in Arbeitsgruppen haben Tiere eine sozial verbindende und die Arbeitsleistung steigernde Wirkung auf die Mitarbeiter.
Eine Überlegung, die jeder Chef im Auge behalten sollte...

Tagebuch eines Tierhalters

10. Januar
Wurde heute von einer Mitarbeiterin gefragt, ob sie vorübergehend ihren Wellensittich mit zur Arbeit bringen könne. Ihr Wohnblock werde renoviert, und der Lärm würde dem Vogel schaden. Bin überrascht, versprach aber, über das Thema nachzudenken.

20. Januar
Meine Recherche zu "Tieren bei der Arbeit" brachte überraschende Ergebnisse. Tiere im Büro scheinen die Motivation und die Arbeitsqualität der Mitarbeiter signifikant zu steigern. Habe zu diesem Thema bei der Architektenkammer nachgefragt, diese zeigte sich jedoch unentschlossen. Inoffiziell gab ein Kammerangestellter mir den Rat, solche Aktionen mit Vorsicht zu genießen und verwies auf potentielle Schäden durch Spechte an Zeichentischen und Wandtafeln. Ich erklärte ihm, dass ich dies für lächerlich halte.

22. Januar
Habe heute allen Mitarbeitern eröffnet, dass ab sofort das Mitbringen von Tieren ins Büro erlaubt ist, sofern darunter weder Arbeit noch Arbeitszeit leiden. Auf die Frage eines Hundebesitzers habe ich zugestanden, dass eine Flexibilisierung der Arbeitszeit zum Gassi führen möglich sei. Mitarbeiter scheinen ratlos, ich bin jedoch voller Optimismus. Habe aufgrund Vorbildfunktion demonstrativ einen Goldfisch auf meinen Schreibtisch gestellt. Vielleicht komme ich mit der Aktion in die lokale Presse?

30. Januar
Die Mitarbeiterin aus dem Bereich technische Planung hat ihre Katze mitgebracht. Sorgte für Überraschung, aber auch für viel Spaß. Die Laune meiner Mitarbeiter stieg deutlich, wie ich beobachten konnte. Das Tier ist possierlich und wandert miauend durch die Räume. Ermuntere die anderen Mitarbeiter, ebenfalls Tiere mitzubringen.

14. Februar
Langsam kommt die Sache in Schwung. 2 weitere Katzen, 3 Wellensittiche, ein Hamster sowie ein grüner Ara bevölkern inzwischen mein Architekturbüro. Ein buntes Treiben. Problematisch ist lediglich die friedliche Koexistenz zwischen den Katzen und den Sittichen. Einer meiner Architekten hat den Vogelkäfig mit Stacheldraht umgeben.
Bin im dunklen Gang in das Katzenklo getreten. Sehr unschön.

2. März
Ein kleines Problem ist aufgetaucht. Siglinde, eine meiner Bauzeichnerinnen und Büronachbarin einer unserer Katzenbesitzer, scheint eine Katzenallergie zu haben. Ihre Atembeschwerden konnten nur durch eine Neuverteilung der Arbeitsplätze gelöst werden, bei der die problematische Zuordnung von Singvögeln, Katzen sowie dem inzwischen hinzugekommenen Dackel der Sekretärin berücksichtigt werden musste. Den ganzen Tag wurde umgeräumt.
Der Goldfisch ist tot. Hätte ihn vermutlich füttern müssen.

20. März
Haben heute einen herben Verlust hinnehmen müssen: Bianka, eine Tigerkatze, hat in einem Anfall von Heißhunger zwei der weißen Mäuse aus dem Planungsbüro Hausbau gefressen. Die Inhaberin der Mäuse erlitt einen Schock und wurde krank geschrieben. Habe ihre Terminarbeit aus disziplinarischen Gründen an die Katzenbesitzerin übertragen, wurde aber beschieden, dass diese bereits mit den Aufträgen des an der Hand verletzten Kollegen beschäftigt sei, der sich versehentlich auf den freilaufenden Igel gestützt habe.
Einer der technische Zeichner hat nachgefragt, ob auch er seinen Hund mitbringen können. Ajax sei absolut stubenrein, kinderfreundlich, zudem könne das Büro gegen Eindringlinge verteidigen. Halte den letzteren Punkt für nicht wirklich relevant, aber gleiches Recht für alle. Ajax kann kommen.

24. März
Ajax hat sich als ausgewachsener Dobermann entpuppt. Tatsächlich scheint er sehr kinderfreundlich zu sein, Erwachsenen begegnet er allerdings mit dem Misstrauen eines professionellen Polizeihundes und lässt mich nicht mehr in mein Büro. Was nicht ganz so schlimm ist, weil die Neigung des nebenan sitzenden Ara, sehr laut und sehr unanständig zu fluchen, schon einige potentielle Kunden verschreckt hat. Werde mit dem Vogelbesitzer reden müssen, wenn er sich durch die von den Hunden eingeschleppten Zeckenbissen wieder erholt hat. Eines der beiden Zwergkaninchen ist verschwunden, nur ein Loch in den doppelten Rigipswänden und nagende Geräusche im Zwischendeckenbereich konnten lokalisiert werden. Der Strom in einzelnen Büros ist ausgefallen.
Die Misshelligkeiten zwischen der Katzen- und der Hundefraktion haben sich jetzt zu offenen Kampfhandlungen entwickelt. Irgend jemand hat im Laufe des Tages den Pudel Pink angestrichen. Im Gegenzug wurde die Siamkatze von Unbekannten komplett rasiert. Alle Arbeiten ruhen.

12. April
Nach dem Eintreffen zweier gerichtlicher Mahnungen wegen Terminüberschreitungen sowie drohender Prozesse wegen mangelhafter Arbeit habe ich die Notbremse gezogen. Habe unauffällig den Dobermann und sämtliche Katzen in den Kopierraum gesperrt. Nach 4 Stunden habe ich den Besitzer des sehr satten Hundes gebeten, diesen in Zukunft wieder zu Hause zu lassen. Die Kaninchengroßfamilie, der Igel, das Frettchen sowie alle Mäuse wurden von mir in den Garten entlassen. Der Ara erhielt wegen fortdauernder Beleidigung Hausverbot.
Habe die wenigen nicht an der Kaninchenfleckenkrankheit erkrankten Mitarbeiter hingewiesen, dass die Arbeit jetzt wieder aufgenommen werde könne.
Die Mitbringregel für Tiere wurde leicht modifiziert und auf ausschließlich ausgestopfte Kreaturen eingeschränkt. Dies scheint mir praktikabel
Der Beitrag wurde am Mittwoch, 29. August 2007 veröffentlicht und wurde unter dem Topic Satiren - initiativ abgelegt.
'initiativ Satire Juni 2007'

Teilen