Es geht ganz schnell
von Klaus Marion.
Veröffentlicht in VorSICHT 7/2014

Seit einiger Zeit geben sich unsere Supermärkte alle Mühe, den Einkauf für den gestressten Kunden so schnell und so effizient wie möglich zu machen. Breite Gänge, klar sortierte Warenregale. Doch dann kommt die Kasse…

Der Anruf meiner Familie erreichte mich kurz vor dem Eintreffen zu Hause. Ob ich denn noch einen kurzen Stopp beim Supermarkt einlegen könne – einmal Tomatenmark sowie ein Becher Sahne würden noch benötigt werden, damit das Abendessen vollendet werden könnte. Und ich solle mich beeilen, damit ich den gleich beginnenden Krimi nicht verpassen würde.
Ich setzte den Blinker und versprach, mit dem Gewünschten binnen Minutenfrist zu Hause zu erscheinen.
Im Geschäft meines Vertrauens herrschte beruhigende Leere. Zielstrebig begab ich mich zur Kühltheke, schnappte mir im Anschluss noch das benötigte Döschen mit tomatigem Inhalt und steuerte dann flotten Schrittes den Kassenbereich an.
Ich zückte meine EC-Karte.
Die Kassiererin lächelte.
"Einen schönen Abend! ADAC- oder Media- oder Punktecard?"
Ich zögerte kurz.
"Nein danke, habe ich bereits. Nur die Sahne und das Tomatenmark, bitte."
Die Dame starrte mich an.
"Nein, ich meine, haben Sie eine dieser Karten dabei?"
"Ich weiß nicht… ich wollte eigentlich mit der EC-Karte bezahlen…"
Offensichtlich werden an Kassen einkaufende Männer als geistig etwas schwerfällig wahrgenommen, denn die freundliche Dame schaltete jetzt in einen Modus, der wohl normalerweise kleinen Kindern, Senioren und der deutschen Sprache nicht mächtige Touristen vorbehalten ist. Sie sprach jetzt langsam und betonte die Worte besonders deutlich.
"Wenn Sie eine dieser Karten dabei haben, können Sie Punkte sammeln. Dafür bekommen Sie dann Rabatt!"
Ich erinnerte mich, vor längerer Zeit von meiner Frau solche Karten erhalten zu haben. Ich durchsuchte mein Portemonnaie.
"ADAC habe ich nicht dabei. Ich habe hier aber hier eine Karte, vielleicht ist diese ja…"
Sie blickte kurz darauf.
"Nein. Das ist die Spezialkarte des Kaufhofs. Die ist bei uns nicht gültig. Es sei denn, Sie haben eine EC-Karte der Sparkasse Mainz, dann könnte Sie trotzdem punkten. Was ist mit Payback?"
Eigentlich hatte ich es ja eilig. Ich beschloss, die Sache einfach abzukürzen.
"Nein, sowas habe ich leider nicht."
"Doch da ist sie! Schauen Sie doch mal!"
Die Kundin nach mir wies definitiv ungefragt auf die benötigte Karte. Ich warf ihr einen tödlichen Blick zu und reichte das benötigte Kärtchen der Kassiererin zum scannen.
"Sehen Sie, so haben sie schon etwas gespart… Was ist das?"
Mit einem lauten Piepsen machte die Kasse auf sich aufmerksam.
"Ach so, die Karte ist noch nicht zugeordnet. Bitte geben Sie mir ihre Postleitzahl.
"55545. Könnte ich jetzt…"
"Moment. Sie erhalten jetzt noch die Bestätigung der Benutzungsbedingungen."
Der Bondrucker spuckte einen Meter fünfzig an kleingedruckten Bedingungen aus. Ich blickte etwas nervös auf die Uhr.
"So jetzt nur noch einmal ausdrucken, zum Unterschreiben!"
Ich unterschrieb ungelesen. "Könnte ich jetzt vielleicht…"
"Einen Augenblick, Sie erhalten noch Ihren aktuellen Punktestand. Oh, die Rolle ist alle. HELGA!!"
Es dauerte nur wenige Minuten, bis die Rolle gewechselt wurde. Die Kunden hinter mir wanderten unauffällig zu anderen Kassen ab. Leider blieb mir diese Möglichkeit verwehrt, denn meine EC-Karte war schon im Lesegerät.
"Hören Sie, man wartet auf mich. Können Sie nicht die Zahlung einfach stornieren?"
"Nein, das geht jetzt nicht. Die Kasse möchte Zahlung per Unterschrift, nicht per Pin. Dazu muss aber der der Bon noch gedruckt werden, denn die Buchung ist ja bereits ausgelöste. HELGA!!"
Würde ich den Laden jemals verlassen wieder können? Suchte mich meine Familie bereits? Kam das Bellen da draußen von den polizeilichen Suchhunden?
"Möchten Sie noch Geld mitnehmen?"
"Nein, ich will nach Hause!"
"Nun, dann jetzt nur noch eine Unterschrift!"
Ich schnappte mir meine Einkäufe.
"Moment, wollen Sie noch die Sammelpunkte für das Messerset? Und was ist mit Ihren Sammelbildern?"
Ich verließ wortlos den Laden.

Draußen begegnete ich dem Mann vom Ordnungsamt, der mir gerade einen Strafzettel unter den Scheibenwischer geklemmt hatte. Ich verwies auf die zwei Artikel und dass ich nur kurz einkaufen gewesen wäre. Er lächelte mitleidig.
"Nur zwei Artikel kaufen? Das können Sie sonst jemand erzählen! Ihr Auto steht ja schon ewig da."
Der Beitrag wurde am Montag, 22. Dezember 2014 veröffentlicht und wurde unter dem Topic Satiren - VORSICHT abgelegt.
'Es geht ganz schnell - Satire aus VorSicht 7/2014'

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