Der Flug
von Klaus Marion.

Veröffentlicht in VORSICHT 2/2011


Meine persönliche Erfahrung mit Flugreisen ist eher begrenzt. Bis auf einige geschäftliche Kurzflüge innerhalb Deutschlands und ins nahe Ausland war das Flugzeug bisher von mir nicht wirklich genutzt. Insbesondere Fernreisen gehörten nicht zu meinem Erfahrungsschatz. So war auch die Ernährungssituation an Bord eines Flugzeugs kein Thema, das sich auf innerdeutschen Businessflügen sowieso auf ein in Cellophan abgepacktes Brötchen beschränkte. Bei den Flügen mit einer bestimmten irischen Billigflugline war an eine derartige Verköstigung aufgrund fehlenden Platzes sowieso nicht zu denken. Und dann kam unser Urlaub.

Ich saß nervös in meinem Sitz. Nicht nur, dass mir das Fliegen aus prinzipiellen Gründen nicht wirklich angenehm ist. Dieser Flug würde uns in sehr weite Fernen tragen, und nach dem veröffentlichten Flugplan ganze 13 Stunden dauern. Immerhin: Es würde etwas zu essen geben.
Meine Frau beugte sich zu mir herüber.
"Hier steht, dass man auf Langstreckenflügen unbedingt viel Flüssigkeit zu sich nehmen soll. Deswegen würden an Bord auch ständig Getränke angeboten werden! Trink ordentlich, dass ist gesund!"
Unter Berücksichtigung des Flugpreises schien mir dies auch angemessen, und wie zur Bestätigung bewegte sich durch den linken Gang eine Stewardess mit einem großen Servierwagen. "Was möchten Sie? Einen Sekt?" Meine Frau war dem zugeneigt, und bat auch noch um ein Glas für mich, was auch erfüllt wurde. Wir stießen an.
"Möchten Sie etwas trinken?" Wie sich herausstellte, war für meine Sitzseite eigentlich die Dame im anderen Gang zuständig. "Nun, äh..." "Vielleicht noch einen Weißwein?" "Nun, ja..." "Für Ihre Frau auch?"
Meine Frau nickte. "Könnten wir noch ein Wasser haben?"
Nun sind Bordgetränke in der Economyclass zwar gratis, aber sie werden in kleinen kippeligen Plastikbechern ausgeschenkt. Ich klappte vorsichtig das vor befestigte Tischchen heraus und stellte die jetzt 3 Becher vor mir auf. Nun fing das Flugzeug auch noch an zu schwanken, was den Bechern eine gefährliche Eigenbewegung verlieh. Um jedem Missgeschick vorzubeugen, leerte ich schnell das Sektglas, trank den sich bewegenden Weißwein und rundete dass mit dem Becher Mineralwasser ab. Es war ebenfalls Wein.
"Du hast meinen Wein getrunken!" zischte meine Frau. "Ich habe hier zweimal Wasser."
Nun, dass ließ sich ja beheben. Ich winkte vorsichtig der Stewardess und orderte Ersatz. "Für Sie auch?". Ich zögerte, der Alkohol begann langsam in meinen Kopf zu steigen. "Nein, besser vielleicht ein Bier. Oder einen Organgensaft."
Die Dame am Wägelchen begann, von Ihrer vor ihr stehenden Kollegin abgelenkt, mir einen Orangensaft, zwei Wein ("Für Ihre Frau und Sie") sowie ein Bier hinzustellen. Dann rollte Sie weiter.
Meine Gattin hatte inzwischen auf Ihrer Gegenseite eine ähnliche Konversation geführt, was mir noch einen Rotwein (Neuseeländisch) sowie einen weiteren Orangensaft bescherte. Die jetzt auf 5 Becher und eine Dose angewachsene Getränkebatterie bereitete mir logistisch etwas Sorgen. Zumal die Besatzung begann, ein warmes Essen zu verteilen, und das Klapptischchen sowieso nur beschränkt Platz bot. Ich trank zum abpuffern erst einmal den großen Becher Orangensaft, ließ schnell den Weißwein folgen, rundete mit ein paar Schlucken Bier ab, um dann auch den Rotwein zu konsumieren. Schon stand das Essen vor mir. "Möchten Sie noch ein Bier?"
"Nein, nein. Isch möchte hier noch mal... volltanken bitte." Meine offensichtlich durch die Flughöhe beeinträchtigte Aussprache erzeugte ein kurzes Stirnrunzeln und ein erneutes Auffüllen des hingehaltenen Orangensaftbechers mit Weißwein. "Isch wollte aber..." Um überhaupt mein Essen zu mir nehmen zu können, leerte ich zuerst die Dosche mit Bier, im Anschlusch den groschen Saftbecher mit Weischwein und hatte jetzt kurzzeitig die Möglichkeit, mit zwei freien Händen meine Mahlzeit zu beginnen.
"Du, der schmeckt nicht. Nimm Du." Meine Frau schob mir einen Aperitif herüber, der sich, offensichtlich durch ihr freundliches Lächeln befördert, aus einer großen Menge hochprozentigem Alkohol und einem kleinen Anteil Saft zu bestehen schien. Ich leerte gehorsam auch diesen und versuchte dann, mit fokussierten Bewegungen mein Essen zu mir zu nehmen. Es war sehr schwierig. Jetzt war auch noch die Gabel verschwunden. Ich drückte den Rufknopf und deutete der herüber blickenden Stewardess mit drei gestreckten Fingern den Verlust einer Gabel an. Diese starrte zurück und verschwand in der Bordkombüse. Statt ihr kam ein männlicher Flugbegleiter und stellte bedächtig 3 Becher Wein vor mich hin. "Sie sollten mal langsam machen!"
Ich schüttelte den Kopf. "Nein, dasch isch ein Irrtum. Gawwel. Brauch eine neue" Meine Aussprache schien mir zu entgleiten. Um mich zu beruhigen, trank ich schnell zwei von den Bechern. Dann auch den dritten. Der Steward kam zurück. "Hier, Ihr Gaffel Kölsch! Trinken Sie aus, und machen Sie uns keinen Ärger!" Ich versuchte argumentativ die beiden Zwillings-Stewarts davon zu überzeugen, dass mir mit einer Gabel schon stark gedient wäre, erntete aber nur ein Kopfschüttel sowie ein zu einer Kollegin gemurmeltes "Füllt ihn halt ab, dann ist er ruhig"
Über die weiteren Ereignisse an Bord kann ich keine Aussagen mehr machen, lediglich bei der Einreise in die USA konnte ich eine leichte Missbilligung der umher stehenden Reisenden feststellen, als ich von zwei hilfsbereiten Besatzungsmitgliedern an die Box des Einwanderungsbeamten gelehnt wurde.
Meine Frau war besorgt.
"Warum trinkst Du auch so viel? Du weißt doch, dass ist nicht gesund!"
Der Beitrag wurde am Freitag, 22. April 2011 veröffentlicht und wurde unter dem Topic Satiren - VORSICHT abgelegt.
'VORSICHT Satire Februar 2011'

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