Heisses Wasser
von Klaus Marion.
Veröffentlicht in VorSICHT 2/2016




Zu den interessanten Vorlieben einiger skandinavischer Völker gehört der "Hot Tub", ein Wasserbecken im heimischen Garten, dass mit dampfendem Wasser gefüllt und zum geselligen Baden mehrerer Personen insbesondere in den Wintermonaten genutzt wird.
Besonders beliebt natürlich in Gegenden, die durch vulkanische Aktivitäten mit heißen Quellen ausgestattet sind, welche den Zufluss mit ständig heißem und frischem Wasser auch kostenmäßig sehr einfach gestalten.


Nach einigen Urlaubserfahrungen mit derlei interessanten kulturellen Errungenschaften reifte in meiner Frau und mir der Entschluss, ein solches Becken auch in unserem heimischen Garten aufzustellen, auf dass wir kalte Winterabende zukünftig in beruhigendem, heißem Wasser verbringen könnten.
Ein zu diesem Zweck aufgesuchter Fachhändler lobte uns wegen unseres auch gesundheitlich-ganzheitlichen Entschlusses und verkaufte uns ein einfaches Exemplar in der Abmessung 2 mal 2 Meter, welches in Zukunft unseren Garten bevölkern sollte.
Auf meine besorgte Frage nach der fehlenden geothermischen Heißwasserversorgung konnte er uns beruhigen.
"Das Wasser bleibt einfach da drin, wird durch einen Filter umgewälzt und mit Ozon versehen. Oben drauf kommt eine isolierende Abdeckung, so dass das heiße Wasser mit nur wenig Heizleistung auch heiß bleibt! Super einfach!"
Wir orderten die einfache Riesenwanne.
Während der Aufstellung des Beckens machte mich der einweisende Techniker auf die grundlegenden Techniken der Filterung aufmerksam.
"Die Filter wechseln Sie einmal die Woche, waschen Sie mit einem Hochdruckschlauch aus, danach werden Sie in Reinigungsflüssigkeit eingelegt, kurz abgebraust, danach 24 Stunden in eine antibakterielle Lösung gepackt. Kurzes Ausspülen danach, und schon sind Sie sicher, dass keine Bakterien nisten! Haben Sie die notwendigen Mittel?" Ich hatte nicht.
Für ein Entgelt von knapp 250 Euro wurden wir mit den notwendigen Granulaten, Pulvern und Hilfsgeräten für einen perfekten Filterwechsel ausgestattet.
Die ersten Tage waren herrlich. Das heiße Wasser in dunkler Nacht beruhigte Nerven und Blutdruck und gab die Anmutung eines romantischen Islandurlaubs. Nach ein paar Tagen bemerkte ich irritiert, dass sich auf der Wanne weiße Ablagerungen bildeten. Nach Rücksprache mit meiner Frau begab ich mich zum Fachgeschäft, um in einem fachlichen Austausch Klarheit zu bekommen. Der Mann wusste Bescheid.
"Das sind Kalkablagerungen. Die Wasserhärte ist zu hoch. Sie müssen das mit Enthärtungsgranulat reduzieren. Am besten messen Sie mit diesen Teststreifen und geben dann etwas von diesem Enthärter genau dosiert ins Wasser. Nicht zuviel! Immer prüfen!" Auf meine Frage, wie ich die Kalkablagerungen entfernen könne, empfahl er mir, kurzfristig den pH-Wert etwas ins säuerliche zu verschieben, um eine Auslösung des Kalks zu erreichen.
"Wie, Sie prüfen nicht den pH-Wert des Wassers? Das ist wichtig! Sollte es zu einem mikrobakteriellen Befall kommen, dann können Sie dies durch eine Verschiebung ins Saure feststellen!" Ein zu basischer Wert hingegen bedeute für die Hautverträglichkeit nichts Gutes und müsse ebenso schnell korrigiert werden.
Er gab mir pH-Teststreifen mit, riet mir tägliche Tests und versorgte mich mit pH-senkenden sowie neutralisierenden Pülverchen, des Weiteren noch mit Teststreifen über Kupfergehalt, Salzsättigung sowie chromatische Ablagerungen im Pumpensystem.
Nach ein paar Versuchen, eine Säure/Basen-Feinsteuerung zu erreichen, gelang es mir, den Kalkablagerungen Herr zu werden. Dafür, man musste es sagen, bekam das Wasser eine eingetrübte Farbe. Ich prüfte die Filter. Alles in Ordnung. Ich begab mich erneut zum Fachgeschäft.
"Ja, die Filter können natürlich nur Schwebstoffe herausziehen, die eine bestimmte Mindestgröße haben. Geben Sie daher täglich 50 ml Spa-Balancer hinzu! Der verklumpt die im Wasser schwebenden Trübstoffe, so dass Sie im Filter hängenbleiben. Die Konzentration darf aber nicht zu hoch werden. Nehmen Sie diese Teststreifen!" Ich erwarb die Literflasche des Zaubermittels für rund 100 Euro und begann, meiner täglichen Prüfroutine einen weiteren Test sowie die dosierte Zugabe des Flockungsmittels hinzuzufügen. Tatsächlich wurde wunderbarer Weise das Wasser wieder klar. Allerdings bildete sich jetzt ein glitschiger Rand, der irgendwie ins grünliche spielte. Der Fachmann wusste Rat.
"Sie haben zu viele Nährstoffe im Leitungswasser, was Algenwachstum befördern kann. Geben Sie täglich dieses Entalgungsmittel dazu, prüfen Sie 30 Minuten später mit dem Teststreifen auf Konzentration und geben Sie im Bedarfsfall weiteres hinzu!"
Tatsächlich verschwand der Bewuchs baldigst wieder. Dafür berichtete mir meine Frau glaubhaft, dass das Wasser geruchstechnisch irgendwie einen abgestandenen Charakter annehme (ich selber konnte aufgrund der täglichen Arbeiten an der Wasserqualität nur noch eingeschränkt am Badevergnügen teilnehmen).
Der Fachhändler nickte zustimmend.
"Anscheinend reicht die Ozonisierung nicht aus. Sie müssen etwas Chlor hinzugeben! Ich gebe Ihnen hier die entsprechenden Chlorierungstabletten. Dazu prüfen Sie den Chlorierungsgrad mit diesem elektronischen Schnelltester, danach noch einmal mit diesen Teststreifen zur Sicherheit. Sollte der Wert nicht im Optimum sein, müssen Sie nachdosieren, ansonsten können Sie überschüssiges Chlor durch diesen Puffer wieder blockieren. Täglich checken, sonst können Hautreizungen entstehen!"
Ich erweiterte meine Prüfungen um die Überwachung der Wasserchlorierung. Meine Hände nahmen inzwischen einen bademeisterähnlichen Geruch an.
Langsam bekamen wir alles in den Griff. Dann fiel versehentlich eine Großverbraucherflasche Cola ins Wasser. Der Fachhändler riet uns, mit zweimal täglich 80 ml "SuperSchock" Aktivsauerstoff in das Wasser einzubringen, welches durch oxidative Prozesse den braunen Farbstoff der Cola zerstören könne. Aufgrund der Aggressivität des Mittels empfahl er mir dringend, tägliche Messungen mit einem Teststreifen auf freie Sauerstoffradikale vorzunehmen. Ich erwarb sicherheitshalber noch ein Aquarium mit Testfischen, um im Falle einer Falschdosierung durch das frühzeitige Ableben der Flussbewohner gewarnt zu werden.
Wo ich schon dabei war, kaufte ich noch zwei Industrie-Aktivkohlefilter sowie eine Reinigungsumwälzpumpe für Schwimmbäder. Jetzt sollte dem Badegenuss nichts mehr entgegenstehen.

Leider ergab sich, dass durch die Vielzahl von täglichen, wöchentlichen und monatsweisen Tests der Wasserqualität für mich eine Teilnahme am Baden aus zeitlichen Gründen nicht mehr in Frage kommt. Auch für meine Frau nicht. Sie unterstützt mich mit der Abarbeitung des Prüfhandbuchs und der mehrseitigen Checkliste. Seit neuestem ist unser Rat auch von den öffentlichen Schwimmbädern des Kreises gefragt, unsere Schulungen in Prüfungsfragen der Wasserqualität für Bademeister sind sehr beliebt und inzwischen auf Monate ausgebucht.

Eins ist klar: Nichts ist so entspannend wie ein einfaches Bad im heißen Wasser!
Der Beitrag wurde am Sonntag, 24. Juli 2016 veröffentlicht und wurde unter dem Topic Satiren - VORSICHT abgelegt.
'Meine VorSicht-Satire 2/2016: Heisses Wasser'

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