Die Feier
von Klaus Marion.
Veröffentlicht in VORSICHT 7/2011
In jungen Jahren war eine abendliche Feier, logistisch betrachtet, eine einfache Angelegenheit. Man überschlug die Zahl der eingeladenen Personen, vervielfachte diese mit einem Faktor für unangemeldete Gäste und multiplizierte sie mit einer Zahl, die als "Bpm" abgekürzt wurde.
Diese "Bier pro Minute" ergaben dann die benötigte Zahl der Kästen mit Billigbier, die man vom Discounter nach Hause zu schleppen hatte. War's leer, dann war's halt leer, und die Party war aus.
Im Laufe der Jahre wurden die Partys zu "Feiern", danach mutierten Sie zu "Einladungen", zumeist an Geburtstagen. Die Zahl der Gäste reduzierte sich etwas, nicht eingeladene Gäste wurden eher mit "Was machst Du denn hier?" begrüßt, weniger mit einem "Boah, geil dass Du da bist!".
Und die Bewirtung mit Getränken ist inzwischen einer variableren Versorgung gewichen.
Im Laufe der Jahre divergierende Geschmacksvorlieben führen inzwischen zu ganz unterschiedlichen Anforderungen an die Getränkeversorgung. So sind mit fortschreitendem Alter auch Weine nachgefragt (nicht nur in der Variante "Wein, Weib und Gesang"), des Weiteren auch autofahrerfreundliche nichtalkoholische Getränke aller Art.
Leider, und das macht es so schwierig, sind die Getränkewünsche immer mehr einer chaotischen Nachfrage ausgesetzt. Irgendein Gast ruft "Heute ist Rotweinabend!", und plötzlich wollen 20 Gäste die nächsten 5 Stunden nur noch raue Mengen von rotem Rebensaft.
Natürlich könnte man sagen: Haben wir nichts mehr da. Aber man will sich als guter Gastgeber ja keine Blöße geben…
So bei unserer letzten Feier. Die Gäste waren geladen, das Essen bereitet, nur die mir obliegende Getränkeversorgung machte meiner Frau Sorgen.
"Sind wir für alles gerüstet? Wirklich genug da?"
Ich zog eine mehrseitige Planungsliste zu Rate.
"Ich denke, wir haben alles. 3 Kästen Pils, gekühlt."
"Nur Premiummarke?"
"Nein, ich habe noch zwei Kisten Regionalbier besorgt. Das soll jetzt im Trend liegen. Man weiß ja nie..."
"Und Weizenbier? Manchmal trinken die alle plötzlich nur Weizen den ganzen Abend!
"Geklärt: 2 Kästen Helles, 2 Kästen Dunkles, 2 Kästen Naturtrüb, 2 Kristall, 2 Sommerbock"
"Spezialsorten?"
"Wir haben Schwarzbier, Lager, Export und Kölsch. Jeweils Doppelkästen. Im Notfall schiebe ich noch eine Reservekiste Guinness nach. Als stille Reserve habe ich noch eine Palette mit englischem Dosenbier von der Tankstelle."
"Was ist mit alkoholfreiem Stoff?"
Alkoholfreies Bier ist im Rahmen verschärfter Führerscheinbedingungen ein nachgefragtes Phänomen.
"Kein Problem. 3 Kasten Pilsener 0%, zwei Kisten mit alkoholfreiem Weizen. Dazu Leichtbier in zwei Sorten."
"Weinversorgung?"
Weinnachfrage ist temperatur- und wetterabhängig und schwer kalkulierbar. Hier ist es für einen guten Gastgeber wichtig, auf alle meteorologischen Besonderheiten mit passender Vorratshaltung zu reagieren.
"Im roten Bereich haben wir 3 Kisten Dornfelder, 2 mal Bordeux, 2 mal Burgunder. Der Weißweinsektor ist mit Grauburgunder, Riesling, Rivaner und Chardonnay abgedeckt. Weißweine vorgekühlt, ansonsten alles in der Garage gestapelt."
Meine Frau war nicht beruhigt. "Was ist mit den internationalen Lagen? Du weißt, was bei Maiers passiert ist. Da kam das Gespräch auf Berlusconi, und prompt wollten alle nur noch italienische Weine haben!"
Ich demonstrierte Gelassenheit. "Dafür habe ich vorgesorgt. Wir haben Chianti und Soave, dazu 3 französische Sortimentskisten, falls die Diskussion auf den Strauss-Kahn kommt."
"Schuldenkrise in Griechenland?"
"Kein Problem. Dimitrios vom Restaurant hat mir eine Kiste Refosco auf Kommission gegeben."
"Eine? Das reicht?"
"Er meint ja. Mehr bekämen Sie davon auch gar nicht runter."
"Was ist mit den sonstigen Getränken? Es kommen Kinder mit!"
Nichts ist peinlicher als ein den ganzen Abend weinendes Kleinkind, das von den Rabengastgebern nicht sein geliebtes Erfrischungsgetränk bekommen kann. Doch ich bin Profi.
"Locker bleiben. Wir haben Cola, Fanta, Sprite, Mezzo, Limette, Sommerfrucht, Blackberry, alternativ alle in Zuckerfrei, dazu Leichtlimonaden in 5 Geschmacksrichtungen, Schweppes, Eistee, Bionade in 16 Sorten (Ich habe den Konsumentenkredit in Anspruch genommen)."
"Mineralwasser?"
"Still, Medium, Extra. Je 3 Kisten. Gekühlt und ungekühlt."
"Digestif?"
"Obstler in 5 Sorten, Kümmelschnäpse, Cognac, Whisky."
Meine Frau atmete tief aus. "Sieht gut aus."
Trotzdem wäre die Feier gastgebertechnisch beinahe noch in einer Katastrophe geendet. Nach einer Diskussion über die steuerliche Sonderbehandlung von Sekt mutierte der als Begrüßungstrunk gereichte Secco zum Lieblingsgetränk des Abends. Hier rächte sich meine falsche Sparsamkeit, als die 12er Kiste des Winzerprodukts vorzeitig zur Neige ging.
Doch durch die verstohlen im Keller durchgeführte illegale Mischung von gekühltem Weißwein mit Mineralwasser, mit einem Trichter in die Originalfalsche geleitet, konnte unser Ansehen als professionelle Gastgeber im letzten Moment noch gerettet werden.
von Klaus Marion.
Veröffentlicht in VORSICHT 7/2011
In jungen Jahren war eine abendliche Feier, logistisch betrachtet, eine einfache Angelegenheit. Man überschlug die Zahl der eingeladenen Personen, vervielfachte diese mit einem Faktor für unangemeldete Gäste und multiplizierte sie mit einer Zahl, die als "Bpm" abgekürzt wurde.
Diese "Bier pro Minute" ergaben dann die benötigte Zahl der Kästen mit Billigbier, die man vom Discounter nach Hause zu schleppen hatte. War's leer, dann war's halt leer, und die Party war aus.
Im Laufe der Jahre wurden die Partys zu "Feiern", danach mutierten Sie zu "Einladungen", zumeist an Geburtstagen. Die Zahl der Gäste reduzierte sich etwas, nicht eingeladene Gäste wurden eher mit "Was machst Du denn hier?" begrüßt, weniger mit einem "Boah, geil dass Du da bist!".
Und die Bewirtung mit Getränken ist inzwischen einer variableren Versorgung gewichen.
Im Laufe der Jahre divergierende Geschmacksvorlieben führen inzwischen zu ganz unterschiedlichen Anforderungen an die Getränkeversorgung. So sind mit fortschreitendem Alter auch Weine nachgefragt (nicht nur in der Variante "Wein, Weib und Gesang"), des Weiteren auch autofahrerfreundliche nichtalkoholische Getränke aller Art.
Leider, und das macht es so schwierig, sind die Getränkewünsche immer mehr einer chaotischen Nachfrage ausgesetzt. Irgendein Gast ruft "Heute ist Rotweinabend!", und plötzlich wollen 20 Gäste die nächsten 5 Stunden nur noch raue Mengen von rotem Rebensaft.
Natürlich könnte man sagen: Haben wir nichts mehr da. Aber man will sich als guter Gastgeber ja keine Blöße geben…
So bei unserer letzten Feier. Die Gäste waren geladen, das Essen bereitet, nur die mir obliegende Getränkeversorgung machte meiner Frau Sorgen.
"Sind wir für alles gerüstet? Wirklich genug da?"
Ich zog eine mehrseitige Planungsliste zu Rate.
"Ich denke, wir haben alles. 3 Kästen Pils, gekühlt."
"Nur Premiummarke?"
"Nein, ich habe noch zwei Kisten Regionalbier besorgt. Das soll jetzt im Trend liegen. Man weiß ja nie..."
"Und Weizenbier? Manchmal trinken die alle plötzlich nur Weizen den ganzen Abend!
"Geklärt: 2 Kästen Helles, 2 Kästen Dunkles, 2 Kästen Naturtrüb, 2 Kristall, 2 Sommerbock"
"Spezialsorten?"
"Wir haben Schwarzbier, Lager, Export und Kölsch. Jeweils Doppelkästen. Im Notfall schiebe ich noch eine Reservekiste Guinness nach. Als stille Reserve habe ich noch eine Palette mit englischem Dosenbier von der Tankstelle."
"Was ist mit alkoholfreiem Stoff?"
Alkoholfreies Bier ist im Rahmen verschärfter Führerscheinbedingungen ein nachgefragtes Phänomen.
"Kein Problem. 3 Kasten Pilsener 0%, zwei Kisten mit alkoholfreiem Weizen. Dazu Leichtbier in zwei Sorten."
"Weinversorgung?"
Weinnachfrage ist temperatur- und wetterabhängig und schwer kalkulierbar. Hier ist es für einen guten Gastgeber wichtig, auf alle meteorologischen Besonderheiten mit passender Vorratshaltung zu reagieren.
"Im roten Bereich haben wir 3 Kisten Dornfelder, 2 mal Bordeux, 2 mal Burgunder. Der Weißweinsektor ist mit Grauburgunder, Riesling, Rivaner und Chardonnay abgedeckt. Weißweine vorgekühlt, ansonsten alles in der Garage gestapelt."
Meine Frau war nicht beruhigt. "Was ist mit den internationalen Lagen? Du weißt, was bei Maiers passiert ist. Da kam das Gespräch auf Berlusconi, und prompt wollten alle nur noch italienische Weine haben!"
Ich demonstrierte Gelassenheit. "Dafür habe ich vorgesorgt. Wir haben Chianti und Soave, dazu 3 französische Sortimentskisten, falls die Diskussion auf den Strauss-Kahn kommt."
"Schuldenkrise in Griechenland?"
"Kein Problem. Dimitrios vom Restaurant hat mir eine Kiste Refosco auf Kommission gegeben."
"Eine? Das reicht?"
"Er meint ja. Mehr bekämen Sie davon auch gar nicht runter."
"Was ist mit den sonstigen Getränken? Es kommen Kinder mit!"
Nichts ist peinlicher als ein den ganzen Abend weinendes Kleinkind, das von den Rabengastgebern nicht sein geliebtes Erfrischungsgetränk bekommen kann. Doch ich bin Profi.
"Locker bleiben. Wir haben Cola, Fanta, Sprite, Mezzo, Limette, Sommerfrucht, Blackberry, alternativ alle in Zuckerfrei, dazu Leichtlimonaden in 5 Geschmacksrichtungen, Schweppes, Eistee, Bionade in 16 Sorten (Ich habe den Konsumentenkredit in Anspruch genommen)."
"Mineralwasser?"
"Still, Medium, Extra. Je 3 Kisten. Gekühlt und ungekühlt."
"Digestif?"
"Obstler in 5 Sorten, Kümmelschnäpse, Cognac, Whisky."
Meine Frau atmete tief aus. "Sieht gut aus."
Trotzdem wäre die Feier gastgebertechnisch beinahe noch in einer Katastrophe geendet. Nach einer Diskussion über die steuerliche Sonderbehandlung von Sekt mutierte der als Begrüßungstrunk gereichte Secco zum Lieblingsgetränk des Abends. Hier rächte sich meine falsche Sparsamkeit, als die 12er Kiste des Winzerprodukts vorzeitig zur Neige ging.
Doch durch die verstohlen im Keller durchgeführte illegale Mischung von gekühltem Weißwein mit Mineralwasser, mit einem Trichter in die Originalfalsche geleitet, konnte unser Ansehen als professionelle Gastgeber im letzten Moment noch gerettet werden.
Der Beitrag wurde am Samstag, 19. November 2011 veröffentlicht und wurde unter dem Topic Satiren - VORSICHT abgelegt.
'Die Feier - Satire in VORSICHT 7/2011'
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