Tausende von Büchern in meinem Bücherschrank - aber manche lohnen sich, einfach noch einmal gelesen zu werden. Jeden Tag ein neuer Vorschlag für ungewöhnliche Lesestunden - Ein wildes Sammelsurium des geschriebenen Wortes.
Dieses mal ein SF-Heftroman von 1973:
Perry Rhodan (Band 631): Die fliegenden Städte
Heute möchte ich über einen SF-Heftroman sprechen. Perry Rhodan ist, hier für alle nicht Science-Fiction-Leser, die Mutter aller Heftserien. Seit 1961 verläßt Woche für Woche ein weiterer Roman die Feder des Autorenteams, und momentan sind wir irgendwo bei Band 2590 und ein paar zerquetschte.
Das Besondere dieser Serie ist, dass es sich bei den Heften um einen chronologischen Handlungsstrang handelt, dessen immer komplexere Handlungen, Verästelungen, Personen, und neue Technik nur absoluten Spezialisten und Dauerlesern einen halbwegs kompletten Durchblick verheisst. Die Romane, obwohl die Exposeé-Redaktion um eine bruchlose Handlung bemüht, gaben den einzelnen Autoren viel Platz für ihren persönlichen Stil. In der Zeit des angesprochenen Bandes hatten Autoren wie Kurt Mahr (sehr technikzentriert), Willi Voltz (der viel zu früh verstorbene Liebling der Leser: seine Romane hatten Tiefe, trotz oder gerade wegen eines immerwährenden Augenzwinkerns) oder Horst Hoffmann (dessen satirische Begabung in zu meinem persönlichen Favoriten machte) die Möglichkeit genutzt, ihren Stil und ihre Vorstellung von unterhaltsamer Science Fiction in diesem gesamtwerk unterzubringen.
Der oben benannte Roman war von Hans Kneifel, bürgerlicher Name Johannes Kneifel. Er hat netto 58 Seiten zweispaltigem Druck, von dem noch ein paar Seiten für eine doppelseitige Risszeichnung, Werbung für die Heftserie Vampirella sowie ein paar mittelprächtige Tuscheillustrationen abgehen.
Ein kurzes "Was passierte bisher", die Vorstellung der Hauptpersonen, am Schluss ein "Perry Rhodan Lexikon", in dem einige Begriffe und Personen aus der Handlung der hunderte Bände vorher erklärt werden vervollständigen das Heft. Dabei nicht zu vergessen die liebliche Kleinanzeigenseite mit Angeboten für Briefmarkenversand, Zauberkataloge sowie dezent formulierte Angebote von Verhütungsmittel, neutral versandt.
Doch das sind nur Oberflächlichkeiten. Schließlich kommt es ja nur auf die Qualität des Textes an. Und hier läßt sich eine klare Aussage treffen:
Grot-ten-schlecht.
Lieber Hans Kneifel, ich bin mir sicher, dass die Entstehungsgeschichte dieses Heftes sich wie folgt zugetragen haben muss:
In der Redaktionssitzung wankte der Exposee-Redakteur leichenblaß in den Raum: "Leute, ich habe mich verzählt! Wir haben in der festgelegte Handlung zwischendrin einen Roman vergessen. Wir müssen da etwas einschieben. Leider gibts keine sinnvolle Handlung dafür. Keine Weiterentwicklung der Personen. Nur die Einführung eines neuen, geheimnisvollen Fremden, kann ich anbieten. Leider ohne irgendwelche Hintergrundinformationen, die man verarbeiten könnte. Wer machts? Freiwillige? Niemand?"
Ein sardonisches Lächeln zog wohl über sein Gesicht.
"Na, wer kam denn bei der letzten Sitzung zu spät? Kneifel, der Roman gehört Ihnen! Und hören Sie auf, um Gnade zu winseln!"
Leider warst Du wohl in den Tagen vor der Manuskriptabgabe krank. Die Grippe, denke ich. Du mustest den Roman am letzten Tag vor der Deadline mit 40,2 Grad Fieber schreiben. Das Tipp-Ex war ausgegangen. Du sahst im Fieberwahn doppelt. Die Dialoge verschwammen in Deiner Vorstellung. Wer war dieser geheimnisvolle Fremde. Und wer war eigentlich dieser Perry Rhodan?
Ja, so muss der Roman entstanden sein. Es war, nach meiner Ansicht, der schlechteste und konfuseste Roman von hunderten von Bänden vorher und nachher.
Und, man kann es sich ja denken:
Es war der erste Perry Rhodan Roman, den ich gelesen habe.
Gekauft hatte ich ihn mir im Zeitschriftenladen schräg gegenüber, zusammen mit einem Fix&Foxy-Heft. Angezogen hatte mich das für die damalige Zeit schmissig gemachte Titelbild einer fliegenden Stadt mit anfliegendem Flugobjekt. Und da ich begeisterter Fan von Raumschiff Enterprise war, das in diesem Jahr gerade im Deutschen Fernsehen lief (die ersten 13 Folgen), und man nicht soviel Alternativen hatte, war das Heft wie ein gleißendes Licht am Dunkel der deutschen SF. Man beachte, was es alles nicht gab: Gute SF-Filme im Kino, computeranimierte Tricksequenzen, Computerspiele, Internet, Buchsuche bei Amazon, DVDs, Videorekorder. Nix davon.
Selbst für einen 10-jährigen (so alt war ich damals) sollte eigentlich dieses Heft so abschreckend sein, dass er in Zukunft schreiend vor jeder Science Fiction Heftserie flüchten müsste.
Eigentlich verfluchtes Pech, dass ich meine Lesekarriere ausgerechnet mit diesem Heft begann, hatte die Perry Rhodan Serie doch auch echte Glanzlichter zu bieten. Gerade bei den ausgekoppelten PR-Taschenbüchern mit ihren eigenen Handlungen im Perry Rhodan Universum gibt es einige Perlen, die auch die vorhandene Qualität so manches Autors bei PR zeigte. H.G. Ewers Liebe zur Jugenbuchliteratur (Band 55 Vom Weltraum besesssen ist ein echtes Kleinod, oder Willi Voltz mit SF-Kurzgeschichten, z.B. in Band 144 in Die Seelenlosen auf Asimovschen Robotenpfaden wandelnd. Oder Kurt Mahr mit seinen sehr technikzentrierten Detektivgeschichten, z.B. in Die Tochter des Roboters Band 3).
Nein, ich geriet an diesen , Verzeihung, nein doch nicht Verzeihung, Schrott.
Ich weiß noch, dass ich damals als 10jähriger die Handlung ziemlich dröge fand. Und Jahre später, beim erneuten lesen, die Dialoge als hahnebüchen und völlig hölzern (Ja, ja, die Grippe!).
Trotzdem habe ich die Woche darauf den nächsten Band gekauft (Ruf aus der Unendlichkeit - der war richtig gut). Und das dann noch viele Jahre weiter so gehalten.
Warum? Weil trotz aller widrigen Umstände die Seele der Serie diese gigantische Handlung war, das Epos von Personen, fiktiven Orten und phantasievoller Technik. Und es selbst in diesem Band eine solche Faszination des Unbekannten, noch zu Erforschenden ausstrahlte, dass es alle schlechte Qualität des Romans auszugleichen vermochte.
Aus diesem Grunde ist dieses Heft hier erwähnt - mit der Erkenntnis, dass manchmal die Qualität des Schreibens nicht alles sein muss.
Hut ab allen Autoren dieser Serie.
Dieses mal ein SF-Heftroman von 1973:
Perry Rhodan (Band 631): Die fliegenden Städte
Heute möchte ich über einen SF-Heftroman sprechen. Perry Rhodan ist, hier für alle nicht Science-Fiction-Leser, die Mutter aller Heftserien. Seit 1961 verläßt Woche für Woche ein weiterer Roman die Feder des Autorenteams, und momentan sind wir irgendwo bei Band 2590 und ein paar zerquetschte.
Das Besondere dieser Serie ist, dass es sich bei den Heften um einen chronologischen Handlungsstrang handelt, dessen immer komplexere Handlungen, Verästelungen, Personen, und neue Technik nur absoluten Spezialisten und Dauerlesern einen halbwegs kompletten Durchblick verheisst. Die Romane, obwohl die Exposeé-Redaktion um eine bruchlose Handlung bemüht, gaben den einzelnen Autoren viel Platz für ihren persönlichen Stil. In der Zeit des angesprochenen Bandes hatten Autoren wie Kurt Mahr (sehr technikzentriert), Willi Voltz (der viel zu früh verstorbene Liebling der Leser: seine Romane hatten Tiefe, trotz oder gerade wegen eines immerwährenden Augenzwinkerns) oder Horst Hoffmann (dessen satirische Begabung in zu meinem persönlichen Favoriten machte) die Möglichkeit genutzt, ihren Stil und ihre Vorstellung von unterhaltsamer Science Fiction in diesem gesamtwerk unterzubringen.
Der oben benannte Roman war von Hans Kneifel, bürgerlicher Name Johannes Kneifel. Er hat netto 58 Seiten zweispaltigem Druck, von dem noch ein paar Seiten für eine doppelseitige Risszeichnung, Werbung für die Heftserie Vampirella sowie ein paar mittelprächtige Tuscheillustrationen abgehen.
Ein kurzes "Was passierte bisher", die Vorstellung der Hauptpersonen, am Schluss ein "Perry Rhodan Lexikon", in dem einige Begriffe und Personen aus der Handlung der hunderte Bände vorher erklärt werden vervollständigen das Heft. Dabei nicht zu vergessen die liebliche Kleinanzeigenseite mit Angeboten für Briefmarkenversand, Zauberkataloge sowie dezent formulierte Angebote von Verhütungsmittel, neutral versandt.
Doch das sind nur Oberflächlichkeiten. Schließlich kommt es ja nur auf die Qualität des Textes an. Und hier läßt sich eine klare Aussage treffen:
Grot-ten-schlecht.
Lieber Hans Kneifel, ich bin mir sicher, dass die Entstehungsgeschichte dieses Heftes sich wie folgt zugetragen haben muss:
In der Redaktionssitzung wankte der Exposee-Redakteur leichenblaß in den Raum: "Leute, ich habe mich verzählt! Wir haben in der festgelegte Handlung zwischendrin einen Roman vergessen. Wir müssen da etwas einschieben. Leider gibts keine sinnvolle Handlung dafür. Keine Weiterentwicklung der Personen. Nur die Einführung eines neuen, geheimnisvollen Fremden, kann ich anbieten. Leider ohne irgendwelche Hintergrundinformationen, die man verarbeiten könnte. Wer machts? Freiwillige? Niemand?"
Ein sardonisches Lächeln zog wohl über sein Gesicht.
"Na, wer kam denn bei der letzten Sitzung zu spät? Kneifel, der Roman gehört Ihnen! Und hören Sie auf, um Gnade zu winseln!"
Leider warst Du wohl in den Tagen vor der Manuskriptabgabe krank. Die Grippe, denke ich. Du mustest den Roman am letzten Tag vor der Deadline mit 40,2 Grad Fieber schreiben. Das Tipp-Ex war ausgegangen. Du sahst im Fieberwahn doppelt. Die Dialoge verschwammen in Deiner Vorstellung. Wer war dieser geheimnisvolle Fremde. Und wer war eigentlich dieser Perry Rhodan?
Ja, so muss der Roman entstanden sein. Es war, nach meiner Ansicht, der schlechteste und konfuseste Roman von hunderten von Bänden vorher und nachher.
Und, man kann es sich ja denken:
Es war der erste Perry Rhodan Roman, den ich gelesen habe.
Gekauft hatte ich ihn mir im Zeitschriftenladen schräg gegenüber, zusammen mit einem Fix&Foxy-Heft. Angezogen hatte mich das für die damalige Zeit schmissig gemachte Titelbild einer fliegenden Stadt mit anfliegendem Flugobjekt. Und da ich begeisterter Fan von Raumschiff Enterprise war, das in diesem Jahr gerade im Deutschen Fernsehen lief (die ersten 13 Folgen), und man nicht soviel Alternativen hatte, war das Heft wie ein gleißendes Licht am Dunkel der deutschen SF. Man beachte, was es alles nicht gab: Gute SF-Filme im Kino, computeranimierte Tricksequenzen, Computerspiele, Internet, Buchsuche bei Amazon, DVDs, Videorekorder. Nix davon.
Selbst für einen 10-jährigen (so alt war ich damals) sollte eigentlich dieses Heft so abschreckend sein, dass er in Zukunft schreiend vor jeder Science Fiction Heftserie flüchten müsste.
Eigentlich verfluchtes Pech, dass ich meine Lesekarriere ausgerechnet mit diesem Heft begann, hatte die Perry Rhodan Serie doch auch echte Glanzlichter zu bieten. Gerade bei den ausgekoppelten PR-Taschenbüchern mit ihren eigenen Handlungen im Perry Rhodan Universum gibt es einige Perlen, die auch die vorhandene Qualität so manches Autors bei PR zeigte. H.G. Ewers Liebe zur Jugenbuchliteratur (Band 55 Vom Weltraum besesssen ist ein echtes Kleinod, oder Willi Voltz mit SF-Kurzgeschichten, z.B. in Band 144 in Die Seelenlosen auf Asimovschen Robotenpfaden wandelnd. Oder Kurt Mahr mit seinen sehr technikzentrierten Detektivgeschichten, z.B. in Die Tochter des Roboters Band 3).
Nein, ich geriet an diesen , Verzeihung, nein doch nicht Verzeihung, Schrott.
Ich weiß noch, dass ich damals als 10jähriger die Handlung ziemlich dröge fand. Und Jahre später, beim erneuten lesen, die Dialoge als hahnebüchen und völlig hölzern (Ja, ja, die Grippe!).
Trotzdem habe ich die Woche darauf den nächsten Band gekauft (Ruf aus der Unendlichkeit - der war richtig gut). Und das dann noch viele Jahre weiter so gehalten.
Warum? Weil trotz aller widrigen Umstände die Seele der Serie diese gigantische Handlung war, das Epos von Personen, fiktiven Orten und phantasievoller Technik. Und es selbst in diesem Band eine solche Faszination des Unbekannten, noch zu Erforschenden ausstrahlte, dass es alle schlechte Qualität des Romans auszugleichen vermochte.
Aus diesem Grunde ist dieses Heft hier erwähnt - mit der Erkenntnis, dass manchmal die Qualität des Schreibens nicht alles sein muss.
Hut ab allen Autoren dieser Serie.
Der Beitrag wurde am Mittwoch, 20. April 2011 veröffentlicht und wurde unter dem Topic 100 Buecher abgelegt.
'100 Books ~ Tag 75: Perry Rhodan (Band 631) - Die fliegenden Städte'
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