Feuer Frei!
von Klaus Marion.
Veröffentlicht in VORSICHT 11/2010
Meine Frau informierte mich kurz und knapp.
"Wir sind am Freitag zu einer Party bei Herbert eingeladen. Wir gehen hin!"
Hm. Zwar ist Herbert ein naher Bekannter, aber warum sollte ich zur öden Party eines dümmlichen Langweilers gehen, bei der die anderen Gäste noch schlechter sind als das gereichte Essen?
Wahrscheinlich deshalb, weil Herberts Partys berühmt sind für die dortige Stimmung, die intelligenten und interessanten Gäste, das geniale Essen und für den Witz und die Schlagfertigkeit des Gastgebers.
Entsprechend verlief auch der Abend. Hochinteressante Leute gaben sich die Klinke in die Hand, und Herbert war mal wieder der Star des Abends. Wenn er über seine Erfahrungen auf den Safaris Afrikas, den vogelkundlerischen Expeditionen auf den vorderen Aleuten oder den neuesten Erlebnissen beim Aufbau seiner eigenen Unternehmensgruppe in den Ländern Vorderasiens referierte, hingen die Leute fasziniert an seinen Lippen. "Und dann musste ich auf einem Lama 800 Kilometer über die Anden zurücklegen!"
Die Frauen liegen im zu Füßen. Dabei sieht er nicht einmal gut aus. Er sieht super gut aus. Und hat Geld. Und Erfolg. Ich hasse ihn wirklich.
Irgendwann gegen 10 Uhr Abends lud Herbert uns noch zu einem späten Imbiss zu seinem Lieblingsitaliener ein. Wir saßen alle an einem großen Tisch, während der Kellner mit einem verbindlichen Lächeln uns große Schnitten Pizza in die Mitte legte. Ich schnappte mir ein Stück mit viel Salami und betröpfelte diese vorsichtig mit etwas bereitstehendem Tabasco.
Herbert nickte wissend.
"Ich erinnere mich noch genau: In Usbekistan habe ich mal eine Chilisauce gehabt, da ist Tabasco nichts dagegen! Feurig! Belebend!" Natürlich. Herbert kann es mal wieder am besten. Jetzt regte sich aber in mir Widerspruchsgeist. Für scharfe Saucen bin ich der Spezialist.
Ich zog nonchalant eine Augenbraue hoch. "Ja, Tabasco muss man natürlich in großen Mengen verwenden, sonst verliert sich die angenehme Würzung völlig in der Tomatensauce"
Ich griff erneut zu der Flasche und bedeckte das Pizzastück mit einem gleichmäßigen Flüssigkeitsfilm. Lächelnd biss ich hinein. Die Gespräche der anderen Gäste waren verstummt, man beobachte mich mit starrem Blick.
Haaaa!! Das Tabasco war seeehr scharf, und die Flüssigkeitsmenge einer viertel Flasche verursachte selbst einem geübten Tabasconutzer wie mir deutliche Schärfegefühle.
"Vorsicht, isse neue Flasche! Verdammt scharfe!"
"Zu scharf?" Herbert lächelte lauernd.
"Nein, überhaupt nicht. Es ist etwas... aromatisch. Luigi, könnte ich noch etwas Chiliflocken haben?"
"Isse kein Problemo!" Luigi, den ich schon als Kellner kannte, als er als Alexandros mit griechischem Dialekt im Suflaki-Keller arbeitete, stellte mir den Streuer hin. Gleichmütig bedeckte ich die Flüssigkeitsoberfläche auf dem Pizzastück mit einer soliden Abdeckung aus gequetschten Chilikernen. "AAH! Lecker!" Ich biss hinein. Feurige Flammen der Unterwelt trafen meine Schleimhäute, der Schmerz verbrennenden Gewebes durchzog meinen Mund in Richtung Magen. AAAARGH! "Herbert, Du auch?" Herberts Augen wurden klein. Er dachte nach. Alle anwesenden Frauen starrten ihn an. Jetzt gab es für ihn kein Zurück. "Klar, gib her!" Ich reichte ihm ein Stück, er biss lächelnd hinein. Interessiert beobachtete ich, wie die Pupillen seiner Augen sich auf Stecknadelkopfgröße verengten, bevor krächzende Geräusche sich seiner Kehle entrangen. Er griff nach einem Weinglas und trank es leer. Ich nutzte diese taktische Niederlage selbst für einen kurzen Schluck, um das schreckliche Brennen in meinem Mund etwas zu betäuben. Herbert war jetzt leichenblass. "Oh ja, gut, aromatisch gewürzt!
"Isse aber nicht sooo scharf. Habe noch Superchili von Jahrmarktgewürzbude. Habe 200.000 Scoville Einheiten. Isse echt scharf. Wolle probiere?"
Herberts Augen flackerten angstvoll. Jetzt habe ich Dich, Freund! "Natürlich probieren wir. Das kann uns doch nicht schocken, gell Herbert?" Er schüttelte langsam den Kopf.
Ich streute das herbeigebrachte rötliche Pulver großzügig über ein weiters Pizzastück, flutete es mit Tabasco und Chiliflocken und erläuterte den erstarrt lauschenden Gästen, dass Tabasco mit rund 2.500 Schärfeeinheiten ein eher harmloses Gewürz sei.
Ich lächelte mild und reichte Herbert sein Stück. Wir bissen hinein.
Diesmal war es keine brennende Schärfe. Es war das HÖLLENFEUER persönlich. Für einen kurzen Moment dachte ich, jetzt könne der Schmerz nicht mehr stärker werden. Das war kurz bevor die Lawine von brennendem Napalm meinen Gaumen flutete. Mein Atem stockte. Wie loderndes Benzin floss es brüllend durch meine Kehle und erreichte in feurigen Tropfen meine krampfenden Innereien. Schweiß flutete über mein rötliches Gesicht, Tränen schossen in meine Augen. Die Agonie des Schmerzes war unerträglich. Soweit ich durch einen rötlichen Schleier erkennen konnte, versuchte Herbert verzweifelnd schluchzend, eine Flasche Prosecco mit den Zähnen zu öffnen. Seine Hände krampften sich derweil um seinen Magen.
"Ist...nicht...scharf... Ich... weine...nur...wegen...der...letzten...Aida-Aufführung. Todtraurig!!"
Ich versuchte mit rhythmischen Stechen der Gabel auf meinem Oberschenkel einen lindernden Gegenschmerz zu erzeugen und meine Lungen zur erneuten Aufnahme der Atemtätigkeit zu bewegen.
"Geht...mir...auch...so. ...War...schrecklich...traurig. Wir...sollten...jetzt...gehen."
Aneinandergeklammert verließen wir wankend das Lokal.
Seltsam: seitdem wurde ich nicht mehr eingeladen.
Klaus Marion
von Klaus Marion.
Veröffentlicht in VORSICHT 11/2010
Meine Frau informierte mich kurz und knapp.
"Wir sind am Freitag zu einer Party bei Herbert eingeladen. Wir gehen hin!"
Hm. Zwar ist Herbert ein naher Bekannter, aber warum sollte ich zur öden Party eines dümmlichen Langweilers gehen, bei der die anderen Gäste noch schlechter sind als das gereichte Essen?
Wahrscheinlich deshalb, weil Herberts Partys berühmt sind für die dortige Stimmung, die intelligenten und interessanten Gäste, das geniale Essen und für den Witz und die Schlagfertigkeit des Gastgebers.
Entsprechend verlief auch der Abend. Hochinteressante Leute gaben sich die Klinke in die Hand, und Herbert war mal wieder der Star des Abends. Wenn er über seine Erfahrungen auf den Safaris Afrikas, den vogelkundlerischen Expeditionen auf den vorderen Aleuten oder den neuesten Erlebnissen beim Aufbau seiner eigenen Unternehmensgruppe in den Ländern Vorderasiens referierte, hingen die Leute fasziniert an seinen Lippen. "Und dann musste ich auf einem Lama 800 Kilometer über die Anden zurücklegen!"
Die Frauen liegen im zu Füßen. Dabei sieht er nicht einmal gut aus. Er sieht super gut aus. Und hat Geld. Und Erfolg. Ich hasse ihn wirklich.
Irgendwann gegen 10 Uhr Abends lud Herbert uns noch zu einem späten Imbiss zu seinem Lieblingsitaliener ein. Wir saßen alle an einem großen Tisch, während der Kellner mit einem verbindlichen Lächeln uns große Schnitten Pizza in die Mitte legte. Ich schnappte mir ein Stück mit viel Salami und betröpfelte diese vorsichtig mit etwas bereitstehendem Tabasco.
Herbert nickte wissend.
"Ich erinnere mich noch genau: In Usbekistan habe ich mal eine Chilisauce gehabt, da ist Tabasco nichts dagegen! Feurig! Belebend!" Natürlich. Herbert kann es mal wieder am besten. Jetzt regte sich aber in mir Widerspruchsgeist. Für scharfe Saucen bin ich der Spezialist.
Ich zog nonchalant eine Augenbraue hoch. "Ja, Tabasco muss man natürlich in großen Mengen verwenden, sonst verliert sich die angenehme Würzung völlig in der Tomatensauce"
Ich griff erneut zu der Flasche und bedeckte das Pizzastück mit einem gleichmäßigen Flüssigkeitsfilm. Lächelnd biss ich hinein. Die Gespräche der anderen Gäste waren verstummt, man beobachte mich mit starrem Blick.
Haaaa!! Das Tabasco war seeehr scharf, und die Flüssigkeitsmenge einer viertel Flasche verursachte selbst einem geübten Tabasconutzer wie mir deutliche Schärfegefühle.
"Vorsicht, isse neue Flasche! Verdammt scharfe!"
"Zu scharf?" Herbert lächelte lauernd.
"Nein, überhaupt nicht. Es ist etwas... aromatisch. Luigi, könnte ich noch etwas Chiliflocken haben?"
"Isse kein Problemo!" Luigi, den ich schon als Kellner kannte, als er als Alexandros mit griechischem Dialekt im Suflaki-Keller arbeitete, stellte mir den Streuer hin. Gleichmütig bedeckte ich die Flüssigkeitsoberfläche auf dem Pizzastück mit einer soliden Abdeckung aus gequetschten Chilikernen. "AAH! Lecker!" Ich biss hinein. Feurige Flammen der Unterwelt trafen meine Schleimhäute, der Schmerz verbrennenden Gewebes durchzog meinen Mund in Richtung Magen. AAAARGH! "Herbert, Du auch?" Herberts Augen wurden klein. Er dachte nach. Alle anwesenden Frauen starrten ihn an. Jetzt gab es für ihn kein Zurück. "Klar, gib her!" Ich reichte ihm ein Stück, er biss lächelnd hinein. Interessiert beobachtete ich, wie die Pupillen seiner Augen sich auf Stecknadelkopfgröße verengten, bevor krächzende Geräusche sich seiner Kehle entrangen. Er griff nach einem Weinglas und trank es leer. Ich nutzte diese taktische Niederlage selbst für einen kurzen Schluck, um das schreckliche Brennen in meinem Mund etwas zu betäuben. Herbert war jetzt leichenblass. "Oh ja, gut, aromatisch gewürzt!
"Isse aber nicht sooo scharf. Habe noch Superchili von Jahrmarktgewürzbude. Habe 200.000 Scoville Einheiten. Isse echt scharf. Wolle probiere?"
Herberts Augen flackerten angstvoll. Jetzt habe ich Dich, Freund! "Natürlich probieren wir. Das kann uns doch nicht schocken, gell Herbert?" Er schüttelte langsam den Kopf.
Ich streute das herbeigebrachte rötliche Pulver großzügig über ein weiters Pizzastück, flutete es mit Tabasco und Chiliflocken und erläuterte den erstarrt lauschenden Gästen, dass Tabasco mit rund 2.500 Schärfeeinheiten ein eher harmloses Gewürz sei.
Ich lächelte mild und reichte Herbert sein Stück. Wir bissen hinein.
Diesmal war es keine brennende Schärfe. Es war das HÖLLENFEUER persönlich. Für einen kurzen Moment dachte ich, jetzt könne der Schmerz nicht mehr stärker werden. Das war kurz bevor die Lawine von brennendem Napalm meinen Gaumen flutete. Mein Atem stockte. Wie loderndes Benzin floss es brüllend durch meine Kehle und erreichte in feurigen Tropfen meine krampfenden Innereien. Schweiß flutete über mein rötliches Gesicht, Tränen schossen in meine Augen. Die Agonie des Schmerzes war unerträglich. Soweit ich durch einen rötlichen Schleier erkennen konnte, versuchte Herbert verzweifelnd schluchzend, eine Flasche Prosecco mit den Zähnen zu öffnen. Seine Hände krampften sich derweil um seinen Magen.
"Ist...nicht...scharf... Ich... weine...nur...wegen...der...letzten...Aida-Aufführung. Todtraurig!!"
Ich versuchte mit rhythmischen Stechen der Gabel auf meinem Oberschenkel einen lindernden Gegenschmerz zu erzeugen und meine Lungen zur erneuten Aufnahme der Atemtätigkeit zu bewegen.
"Geht...mir...auch...so. ...War...schrecklich...traurig. Wir...sollten...jetzt...gehen."
Aneinandergeklammert verließen wir wankend das Lokal.
Seltsam: seitdem wurde ich nicht mehr eingeladen.
Klaus Marion
Der Beitrag wurde am Donnerstag, 14. April 2011 veröffentlicht und wurde unter dem Topic Satiren - VORSICHT abgelegt.
'VORSICHT Satire November 2010'
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