Gut gefrühstückt
von Klaus Marion.
Veröffentlicht in VorSICHT 10/2014

Als Geburtstagsgeschenk für den Partner ist der Besuch eines Musicals eine wunderbare Angelegenheit. Nicht nur, dass man dem Beschenkten eine wirkliche Freude machen kann, nein, man hat selber noch die Gelegenheit, ebenfalls dem Ereignis beizuwohnen und unternimmt dazu noch einen interessanten Ausflug.
Manchmal mit ganz besonderen Erlebnissen…


So hielt ich dies auch beim letzten Geburtstag meiner Frau.
Um dem eindringlichen Musicalerlebnis eines an künstlichen Lianen schwingenden kommunikativ beeinträchtigten Urwaldmenschen noch einen besonderen Pluspunkt zu geben, buchte ich auch eine zugehörige Übernachtung hinzu, welches die Romantik des Abends unterstützen und gleichzeitig wirkungsvoll verhindern würde, zu nächtlicher Stunde auf hässlichen deutschen Autobahnen die Heimfahrt antreten zu müssen.
Bei der Beauftragung eines entsprechenden Kombinationsangebots wurde ich am Telefon allerdings darauf aufmerksam gemacht, dass sich gewähltes Angebot natürlich nur unter gleichzeitiger Buchung des Frühstücks im Hotel arrangieren lässt. "Kostet aber noch mal 25,- Euro extra. Pro Person.
Ich musste schlucken. Ein Frühstück ist grundsätzlich eine sehr schöne Sache, der Übernachtungspreis und die Karten der Veranstaltung bewegten sich aber jetzt schon in kapitalen Größenordnungen. Doch wer will schon beim Ordern des Geburtstagsgeschenks seiner Frau durch peinliches feilschen am Telefon unangenehm auffallen? Mit starrer Haltung bestellte ich also das Gesamtpaket, plus der frühstücklichen Unterstützung.
Alsbald war das Wochenende des Musicalbesuchs erreicht, die Fahrt dorthin verlief bei bester Laune, das Hotelzimmer war äußerst schön, das Musical selbst begeisternd, der anschließende Besuch in der Bar romantisch.
Am nächsten Morgen machten wir uns beschwingt zu einem leckeren Frühstücksbuffet auf den Weg. Da fiel Blick meiner Frau im Aufzug auf die Hotelpreise: "25 Euro extra für ein Frühstück? Welcher Verrückte zahlt denn so was?"
"Äh…" Meine Frau starrte mich an. Ich blickte entschuldigend.
"Nun, es soll sehr schön sein. Büffet. Sehr umfangreich…"
"25 Euro??"
"Ich bin mir sicher, dass es sich lohnt! Dafür nehmen wir aber natürlich auch alles mit, was geboten wird!"
Auch mir wurde die Größenordnung des Zusatzbetrages erneut schmerzhaft bewusst.
Der Frühstücksbereich war gleichermaßen groß wie bevölkert. Anscheinend waren zwei Drittel der Musical-besucher im selben Hotel abgestiegen. Mit Mühe fanden wir einen Tisch.
Nun, für unser Geld wollten wir jetzt aber etwas bekommen.
Während meine Frau sich nach den Vorspeisen umsah, übernahm ich die Versorgung mit Getränken. Ich holte zwei Thermoskannen mit Kaffee, bestellte zweimal Tee (Darjeeling, Auslese, Extra!) und zapfte der Vollständigkeit halber noch vier Latte Macchiato (zwei in Reserve) an dem unvorsichtig herumstehenden Kaffeeautomaten.
Auf ein erbeutetes Großtablett lud ich zur Nutzung des allgemeinen Angebots ein Sortiment von Gläsern mit frisch gezapften Orangen-, Maracuja-, Grapefruit- und Apfelsaft und diversen weiteren Fruchtsäften. Ein Mitglied des Personals warf mir einen Blick zu.
"Sie können jederzeit ein zweites Mal holen."
"Das ist das zweite Mal!"
Nachdem ich also damit die wichtige Getränkeversorgung sichergestellt hatte, begab ich mich zur Abteilung der warmen Speisen, während meine Frau größere Sortimente an Brötchen, Brezeln, Baguette Stangen und Croissants auf unseren Tisch zauberte. Ein größeres Sortiment von kostenlosen Tages- und Wochenzeitungen komplettierte den allgemeinen Unterhaltungsteil unseres Frühstücks.
Unter Beiseitedrängung von Kleinkindern und Rentnern versorgte ich uns mit großen Tellern voll Speck, Würstchen, Pommes, gebratenen Tomaten, Pilzen und allerlei Frittiertem. In einem unbeobachteten Moment ergriff ich noch die komplette Platte mit dem Räucherlachs und trug meine Beute zu unserem Platz, den meine Gattin bereits durch Heranziehung eines zweiten Tisches um entsprechende Ablageflächen großzügig erweitert hatte.
"War das nicht ein Viersternehotel? Müssten die nicht auch Sekt haben?"
Alkoholische Getränke zum Frühstück sind nicht unbedingt meine Sache, aber bei Preisen wie diesem muss ein Exempel statuiert werden. Ich begab mich also zum Tresen, wo eine einzelne angebrochene Sektflasche traurig in einem Eiskübel vor sich hin vegetierte. Ich rief den Kellner prononciert herbei und machte ihm klar, dass diese für unsere "20 köpfige Reisegruppe" definitiv nicht ausreichend sei, und retirierte im Anschluss mit vier Flaschen Sekt und einem Champagner zurück zu unserem kulinarischen Hauptquartier.
Im Vorübergehen winkte ich noch einen Kellner im Konditoreibereich herbei, verwies auf die geplünderten Tabletts mit Kuchen und wies ihn streng an, uns umgehend Nachschub an unseren Tisch zu bringen, aber Pronto!
Wir begannen, uns am Frühstückspreis abzuarbeiten. Beim Verzehren der herbeigeschafften Vorräte machten sich jedoch bereits nach dem dritten Teller leichte Schwächeanzeichen bemerkbar.
"Ich kann nicht mehr…!"
"Du musst Dich zwingen! Denk an den Preis. Trink noch einen Sekt!"
Beim Schokoladenmousse (weiß und schwarz), dem Pudding, den Muffins und dem Fruchtsalat war dann das Ende definitiv erreicht.
Wir schoben die überzähligen Brötchen, die zwei Schnitzel sowie die Heringssalate in mitgebrachte Plastiktüten und schwankten schwerbepackt von dannen. Die zwei verbliebenen Sektflaschen hatte ich mir zur Vermeidung peinlicher Rückfragen unter meine Jacke geschoben.

Nun, ich denke, wir haben unser Bestes gegeben!
Der Beitrag wurde am Samstag, 4. April 2015 veröffentlicht und wurde unter dem Topic Satiren - VORSICHT abgelegt.
'Gut gefrühstückt - Satire in VorSicht 10/2014'

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