Kate Fox
Watching the English
The Hidden Rules of English Behaviour

Sprache: Englisch
Taschenbuch: 432 Seiten
Verlag: Hodder & Stoughton (11. April 2005)
Sprache: Englisch
ISBN-10: 0340818867
ISBN-13: 978-0340818862
Lieferbar über Amazon.de

Meine Wertung: Wertung: 5 von 5 Sternen

Der Deutsche an und für sich ist immer sehr bemüht, das Bild von Deutschland, so wie es sich dem Ausländer darbietet, auf Kritik zu hinterfragen.
Deutsche über Deutsche - das endet eigentlich immer bei Adolf.
Entweder kritiklose Lobeshymnen über das Deutsche im Speziellen, im Allgemeinen sowie im Besonderen, am besten noch bereichert um ein paar Anmerkungen über völlig überflüssige Schuldgefühle dem Ausland gegenüber, "schließlich war ja alles damals nicht so schlimm und sowieso übertrieben".
Auf der anderen Seite linksgewendete soziologische Analyseversuche, die alles Schlechte dieser Erde im deutschen Charakter wiederfinden und unsere Kultur als dermaßen gefährlich entlarven, dass alles besser ist als diese.
Moderate Töne sind selten - sie bleiben im Minenfeld der (Kultur-) Politik hängen. Multikulti, Einwanderungsland (aber inklusive der Kultur der Einwandernden, bitte!), Leitkultur des Deutschen und wie die Stichworte der Politik alle heißen.

Andere Länder machen es sich da einfacher. Interessant wird es aber, wenn eine bekannte Anthropologin wie Kate Fox ihre eigenen Landsleute unter die Lupe nimmt. Auf über 400 kleingedruckten Seiten nimmt sie die sozialen Eigenheiten unter allen Gesichtspunkten unter die Lupe - und tut dies in einer witzigen, ironischen und sehr amüsant lesbaren Art und Weise.

Das Buch war und ist in England ein Bestseller und ist für den Massenmarkt geschrieben. Angelsächsische Autorenleichtigkeit auch bei ernsten Theman.

Ihrer Beobachtungen bestätigen und erklären unsere gängie Urteile über den Engländer an und für sich:
Englischer Humor, Ironie, Höflichkeit, brav schlange stehen, niemals aufregen: das sind Stereotype, wie wir sie aus jedem Film her kennen.
Ja, und sie sind wirklich so. Doch das interessante an diesem Buch ist die Art, wie die Autorin das Leben und Verhalten der Engländer auf ihre Grundeinstellung zum gegenseitigen Umgang reduziert: Dem Versuch, alle soziale Interaktion ungeschriebenen Regeln zu unterwerfen und der Versuch des Engländers, keine dieser Regeln zu brechen (Wunderbar in John Cleese "Ein Fisch namens Wanda" zu beobachten).
Natürlich sind diese Regeln zusätzlich einer Schichtung und klassenspezifischen Variation zu unterziehen - kaum eine demokratische Gesellschaft ist noch dermaßen in kulturelle und soziale Klassenunterschiede getrennt. Und so ist es kein Wunder, dass die Autorin z.B. die Mittelschicht (die sie als "Mittelklasse" bezeichnet), noch weiter streng in Untere, Mittlere und Obere Mittelklasse unterteilt. Und jeder dieser Klassen lassen sich spezielle Regeln und Verhaltensweisen zuordnen.

Ein Hauptpunkt (und hochinteressanter Ansatz) ist jedoch ihre Ausführungen zur sprichwörtlichen Höflichkeit der Engländer. Sie führt diese auf ein in England gebräuchlichem Konzept der "negativen Freundlichkeit" zurück: Freundlichkeit wird dabei nicht als ein dem Gegenüber durch Worte und Handlungen positive Gefühle zu vermittelndes Handeln gesehen (so wie es in den extrovertierten südländischen Kulturen, aber auch in Amerika praktiziert wird), sondern der Verpflichtung, dem anderen keine negativen Gefühle zu bereiten (durch stören, durch in die Privatsphäre eindringen, durch jemanden in peinliche Situationen zu bringen).
Daraus resultiert die typische englische Freundlichkeit, Höflichkeit, Zurückhaltung - die man unter diesem Gesichtswinkel immer vorsichtig hinterfragen muss. Freundlichkeit ist dabei eine Umgangsform, kein Gefühl - auch dem dümmsten Idioten gegenüber ist der Engländer noch höflich.
Natürlich gibt es Ausnahmen von diesen Regeln - besonders schön in Badeorten zu besuchen, wo sich englische und deutsche Proletarier im harten Kampf um die größte Unfreundlichkeit ein umkämpftes Kopf-an-Kopf Rennen liefern.

Wirklich interessant ist das Buch natürlich dann, wenn man Erfahrungen mit England und seinen Bewohnern hat. Dann ist das Buch eine Fundgrube von Erklärungen für Verhaltensweisen, die man immer schon rätselhaft fand (und den eigenen Fettnäpfchen, in die man unabsichtlich schon alle getreten ist).

Eine Anmerkung am Rande: Das Buch ist witzig und leicht geschrieben - die Wortwahl ist aber oftmals formal anthropologisch besetzt. Ein Wörterbuch in Reichweite zum ab und zu nachschlagen ist empfehlenswert.

Klaus Marion
Der Beitrag wurde am Freitag, 2. November 2007 veröffentlicht und wurde unter dem Topic Buecher abgelegt.
'Buchempfehlung: Watching the English. The Hidden Rules of English Behaviour.'

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