Eine Woche mit der Apple Watch
von Klaus Marion.


Die kleine Reportage
Eine Woche mit der Apple Watch

Meine Beziehung zu Armbanduhren war immer intensiv. Schon zu meinem 9. Geburtstag habe ich mir eine Uhr gewünscht – und zwar eine mit Stopp-Uhr-Funktion. Das war Anfang der Siebziger, und da gab es nur mechanische Armbanduhren – die Quarzuhr und die digitale Anzeige waren da noch ein halbes Jahrzehnt entfernt. Ich habe dann tatsächlich eine bekommen – einem günstigen Angebot im Quelle-Katalog und der Tatsache geschuldet, dass meine direkte Geburtstagsnähe zu Weihnachten ein wertmäßig verdoppeltes „gemeinsames Geschenk“ erlaubten.
Die Uhr verrichtete treue Dienste (auch wenn sie am Tag ein bis zwei Minuten falsch ging und jeden Morgen aufgezogen werden musste.
Die nächste Steigerung erfolgte 5 Jahre später, als ich mir zur Konfirmation eine der ersten LCD-Armbanduhren in Edelstahllook schenken ließ. Damals ein echtes Novum, und eine wunderschöne Sache – bis auf die Tatsache, dass die Platine, auf der die Bauteile der Uhr aufgelötet waren, recht spröde war. Etwa anderthalb Jahre später beendete ein Sturz das Leben meiner Uhr. Äußerlich unverletzt, zerbrach die Platine im Inneren in mehrere Teile.
Seither habe ich ein halbes Dutzend Uhren besessen. Die letzten waren alle Batteriebetrieben, aber mit Zeigermechanik, wasserdicht und robust.



Die Aktuelle ist eine Boccia, mit Titangehäuse, Wasserdicht bis 100 Meter, Chronographenfunktion mit Datumsanzeige, Quarzglas und Titanarmband. Eine Uhr, die ich immer anhabe, und das seit mehr als 5 Jahren.
Sie hat, wenn ich mich recht erinnere, um die 400 Euro gekostet. Das ist viel Geld, auf der anderen Seite ist sie ein langlebiger Begleiter und, man möge das nicht vergessen, für Männer als berufliche Anzugsträger neben Krawatte, Krawattennadel und Brille das einzige allgemein akzeptierte Begleitaccessoire. Nüchtern, Hightech und Hochwertig – als IT-Techniker ist das die Uhr, die man trägt.
Nun ja, oder trug. Denn seit einer Woche ist sie da, meine neue Uhr:
Eine Armbanduhr von Apple. Nachdem ich sie vor 6 Wochen mit langer Lieferfristankündigung bestellt hatte, kam sie völlig überraschend letzte Woche, durch einen Paketboten, „nur persönlich“ auszuhändigen.
Viel wurde über diese Uhr in der Presse diskutiert, wie immer, wenn Apple etwas Neues auf den Markt bringt (iPod, iPhone, MacBook, Musikdienst). Top oder Flop? Leidenschaftlcih wird darüber diskutiert, und jeder scheint dazu irgendwie eine klare Meinung zu haben.
Nun, ich habe sie jetzt seit einer Woche im Einsatz und kann zumindest von meinen Erfahrungen erzählen.

Wie sieht die Uhr aus?
Überraschend gut. Ich habe die größere Variante mit 42 mm Display gewählt, die billigere Baureihe mit dunklem Aluminiumgehäuse, gehärtetem Anzeigeglas und Plastikarmband in Schwarz (es gibt

sie auch noch in Edelstahl für doppelt so viel Geld, und in den Luxusvarianten für irre viel Geld – technisch aber alle gleich).
Trotz allem Vorurteil sieht die Uhr stimmig und wertig aus, sie wirkt nicht billig. Auch nicht das Armband, das superweich ist und sich hervorragend trägt. Auch beim Sport, die Uhr wiegt höchstens ein Viertel meines bisherigen Uhr-Boliden, und läßt einen auch nicht schwitzen.
Die Verarbeitung der Uhr ist sehr hochwertig und im Detail perfekt.
Kann man durchaus tragen.

Wie lange hält die Batterie durch?
Die Lebensdauer des Akku war ein dauerndes Gesprächsthema im Vorfeld des Verkaufs der Apple Watch. Es ist einfach zu wenig Platz für den Stromspeicher vorhanden. Und es gibt zu viele Funktionen, die mit Strom betrieben werden müssen: Das Display, die Bluetooth-Verbindung zum iPhone, die in der Uhr laufenden Apps, die dauernde Datenverarbeitung von neuen Terminen, Mails, Informationen. Der Lagesensor, die automatische Pulsmessfunktion und was der Dinge mehr sind. Das Abspielen von Musik kostet Strom, das mögliche Telefonieren über die Uhr natürlich auch.
Kurzum, die Frage ist weniger: Wieviel Tage hält eine Akkuladung, sondern eher: Hält das Teil überhaupt einen ganzen Tag durch, bevor es an das magnetisch ankoppelnde Aufladeteil angeschlossen werden muss.
Nach einer Woche Erfahrung kann ich sagen: Ja, sie tut es.
Wer nicht permanent die Uhr als Spielzeug benutzt und stundenlange langweilige Besprechungen bei der Arbeit mit dem herumexperimentieren an dem neuen Spielzeug verbringt, kommt mit der Uhr gut durch den Tag. In meinem Fall bedeutet dies: Um 5:30 Uhr die Apple Watch angelegt, Abends um 20 Uhr wieder auf die Ladeschale gelegt, und noch 35-40% Restakku vorhanden.
Dabei ganz normal genutzt: EMails und Termine auf der Uhr geprüft, regelmäßig die Uhrzeit aufgerufen, Nachrichtenticker abgerufen.
Einziges Zugeständnis an den Energieverbrauch ist die Wahl der niedrigsten Anzeigehelligkeit, die aber immer noch sehr hell und brilliant in der Darstellung ist.




Eine Uhr, deren Zifferblatt nicht ständig sichtbar ist? Nervt das?
Überraschender Weise: nein. Aus Energiespargründen hat Apple dafür gesorgt, dass das Uhrendisplay normalerweise schwarz ist. Sobald ich die Uhr aber am Handgelenk zu mir hin drehe, wird automatisch das Zifferblatt oder (einstellbar) die letzte App aufgerufen. Nach 1 oder 2 Sekunden wird der Bildschirm dann wieder dunkel. Das funktioniert prima.
Auch ein Touch auf das Uhrenglas oder das Drücken des Buttons an der Seite zaubert die Bildschirmanzeige hervor.
Das schnelle Verlöschen des Displays verhindert übrigens auch wirkungsvoll das Mitlesen von Informationen durch neugierige Kollegen oder wildfremde Personen in der Schlange am Supermarkt.
Einziges Problem: Man muss den Arm betont etwas drehen, was für Andere wie ein demonstratives „Auf die Uhr sehen“ aussieht. Ich habe meinen Kollegen schon mitgeteilt, dass mich nicht ihre Ausführungen langweilen, sondern dass ich auf die gemeldeten Termine schaue.

Woher weiß ich ohne Anzeige, dass jetzt ein Termin ansteht?
Apple hat die Uhr mit einem Vibrationsalarm versehen, der bei neuen Nachrichten oder Informationen einen dezent informiert. Kurzer Dreh des Handgelenks: Ah, Eilnachricht: Sepp Blatter ist zurückgetreten!
Die Vibrationen sind unterschiedlich, angeblich soll man anhand der Vibration die Art der Nachrichten unterscheiden können. Dazu bin ich wahrscheinlich zu unsensibel. Für mich kribbelt es einfach an meinem Handgelenk. Töne kann die Uhr auch von sich geben – das kann man abschalten, was sinnvoll ist. Das Anschalten geht aber nicht immer – momentan ist meine Uhr ungewollt stumm – da scheint noch ein Softwarefehler zu bestehen.

Gibt es unterschiedliche Zifferblätter? Kann ich sie verändern?
Ja und nein.
Die Uhr wird mit 8 Zifferblattvarianten geliefert, vom verspielten Mickymausstil mit bewegender Comicfigur als Zeiger bis zum High-Tech-Chronographen. Die Zifferblätter sind zumeist analog mit Zusatzfunktionen, und können in Farbe, Detailreichtum und Art der Zusatzinformationen etwas angepasst werden.
Apple hat sich viel Mühe gegeben, diese Zifferblätter stilistisch hochwertig zu halten – schließlich ist das Zifferblatt der Teil, den potentielle Kunden bei anderen Besitzern zuerst sehen werden. Diese Angst vor dem Ruch der „Billiguhr“ zeigt sich auch darin, dass neue Apps, die in der Hauptsache der Zeitdarstellung dienen, von Apple nicht zugelassen werden!
Man hat versprochen, dass es weitere Zifferblätter geben wird. Hier ist auch noch viel Potential, denn die Menge an Informationen auf der Uhrdarstellung ist mir momentan noch zu gering.
Auf meinem Zifferblatt wird mir neben den Uhrzeigern das Datum, Restladestand der Uhr, die aktuelle Temperatur (über die Wetter-App), der nächste Termin sowie die Mondphase angezeigt. Da ginge deutlich mehr. Alles Informationen auf dem Zifferblatt sind sensitiv, das Zifferblatt ist ein Touchscreen, ein Druck führt zur jeweiligen App auf der Uhr.

Geht die Uhr ohne iPhone?
Klare Ansage: Nein.
Die Uhr kann auch ohne iPhone selbständig operieren, sie zeigt brav Zeit und auf ihr gespeicherte Bilder an, und Musik kann ich auch abspielen.
Alles andere fehlt. Ein iPhone in Bluetooth-Reichweite ist ein Muss und liefert die Datenverbindungen, GPS und Informationen, die die Uhr benötigt.
Aber, das muss man auch sagen, es ist schon ein echter Fortschritt, dass man nicht ständig sein iPhone aus der Tasche ziehen muss, wenn man bestimmte informationen haben möchte. Und die Arbeitsteilung der Uhr als Darsteller aufbereiteter Informationen verhandener iPhone-Applikationen ist sinnvoll.
Email schreiben geht gar nicht, dazu ist das iPhone da. Andere Nachrichten kann man diktieren, auf eine SMS-Tastatur auf dem Minibildschirm hat man sinnvollerweise verzichtet.

Funktioniert die Apple-Watch als Sportuhr?
Ja... tut sie. Ich verwende die App „Runmeter“ bei meinen Joggingläufen. Jetzt bleibt das iPhone in der Tasche, die Uhr zeigt mir (frei zusammenstellbar) Geschwindigkeit, Laufweg, Karte und Puls. Sofern ich vorher die Uhr umstelle, dass sie beim drehen des Handgelenks zur letzten App springen soll, und nicht zur Uhr.
Leider arbeitet die technisch clever gelöste Pulsmessung mit LEDs auf der Rückseite der Uhr seit dem ersten Softwareupdate bei den meisten Uhrenbesitzern nicht mehr richtig.
Statt Tagsüber alle 10 Minuten kurz den Puls zu messen, und mit Sportapps dauerhafte Messungen vorzunehmen, wird jetzt nur noch erratisch alle paar Stunden gemessen – und während des Laufens gar nicht mehr.
Der Bug soll mit dem nächsten Update behoben werden. Dann ist es perfekt.

Was macht alles als App auf der Uhr Sinn?
Nun, man sollte die Uhr wie ein Schweizer Taschenmesser sehen. Manche Dinge braucht man häufig, manche Dinge sind einfach praktisch, wenn sie im seltenen Bedarfsfall da sind.
Genutzt wird von mir: Nachrichtenticker von Spiegel, Times und FAZ, Email-Benachrichtigung und –lesen, SMS-Darstellung, Nachrichten von Facebook. Kalenderinformationen, Stoppuhr, Countdownzähler, Weckereinstellung, Wetterbericht für vordefinierte Orte und aktuellen Standort, ToDo-Listen (fehlt, verwende dazu die App Things!), Fernsteuerung von Apple-TV und Musikcenter, Börsenticker, Karte des aktuellen Standorts und WegeNavi, Twitternews, Sportapp, Google-News, Fussballticker mit Ergebnisdienst. Kontostand.
Schönes Detail ist die Fotoauslöserfernsteuerung für das iPhone. Jetzt kann man endlich Gruppenaufnahmen ohne Selfistil machen, auf der Uhr sieht man, was das iPhone aufnehmen würde und kann die Aufnahme aus der Ferne auslösen.
Fotos kann man auf der Uhr speichern (naja, die zeige ich lieber auf dem iPhone), mit „AroundMe“ werden mir die Sachen in der Umgebung erklärt. Auch hier würde ich eher das iPhone zücken...
Für Flieger die Fluglinientickets und den Boarding-Barcode auf der Uhr.
Das Ticketsystem Passbook mit der Speichermöglichkeit für Online gebuchte Ferien- und Hotelzimmer ist darauf.

Was fehlt?
Einiges. Sobald die fehlenden Programmierschnittstellen im Sommer freigegeben werden, werden auch die App-Anbieter mehr von Ihren Ideen umsetzen können.
Ganz simpel hätte ich gerne eine Taschenlampenfunktion des Displays. Einfach weißes Licht..
Fehlt leider.
Die Möglichkeit, die Größe der Schriften bei Nachrichten zu verändern: Für meinen Geschmack darfs ruhig in der Schriftart kleiner sein, dann geht mehr auf den Bildschirm.
Volle Integration von „Whats App“ wäre gut, ein RSS-Reader hätte ich gerne. Mehr Apps, die ihre Statusmeldungen auf das iPhone spiegeln. Wikipedia.
Das Apple-Bezahlsystem geht noch nicht in Deutschland.
Doch das kommt wohl alles noch.

Ein kleines Fazit
Für nicht ganz kleines Geld bekommt man eine schöne Uhr, die einige Sonderfunktionen hat, die wirklich praktisch sind.
Es ist KEIN Killergadget, bei dem man den ganzen Tag auf der Uhr herumtippt, und für Spiele ist sie auch nicht gemacht. Bücher wird man auch nicht auf ihr lesen wollen.
Aber sie ist eindeutig eine tolle Ergänzung zum iPhone und seinen Funktionen. Wer ein iPhone nutzt, gerade auch beruflich, der wird alles wichtige auf seiner Uhr wiederfinden. Und gerade die Dinge, für die das hervorziehen des Smartphones immer genervt hat.
Nix, was man haben muss, aber eindeutig ein interessantes Zusatztool.
Ob man 18.000,- Dollar für die Goldvariante ausgeben sollte (die nach 2 Jahren technisch veraltet ist), möchte ich bezweifeln. In seiner Sportvariante ist die Uhr aber durchaus sein Geld wert.

Übrigens: Die Uhr arbeitet hervorragend mit dem Spracherkennungssystem SIRI zusammen.
Die Krone gedrückt und in die Uhr gesprochen, so wie am Dienstag Abend in der Stadt: „Wie lange hat hier der Schuh Sportpalast geöffnet?“ Antwort auf dem Display nach dieser spontanen Frage nach 2 Sekunden:
„Der Schuhsportpalast in Bad kreuznach hat folgende Öffnungszeiten: Mo-Fr von 9 bis 20 Uhr“ Hingefahren und Schuhe gekauft.
So darf Technik sein.

Nachtrag:
Auf der letzten Entwicklerkonferenz hat Apple seine weiteren Pläne mit der Apple Watch bekanntgegeben.
Baldigst soll das neue Programmierframework für Entwickler freigegeben werden, so dass das iPhone auf alle Sensoren der Uhr zugreifen kann (und damit in einer iPhone-App den gehobenen Arm als Auswahl zu verwenden), was auch die Nutzung der Healthdaten in den Standard-Apps ermöglichen soll.
Des weiteren wird es erlaubt, dass spezielle Apps nur auf der Watch laufen - und damit das iPhone entlasten und zusätzliche Verarbeitungsintelligenz und Unabhängigkeit auf die Uhr bringen.

Und die Ziffernblätter sollen um mehr frei definierbare Datenfelder erweitert werden, die auch von iPhone Apps zur Anzeige benutzt werden können.

Man darf gespannt sein.
Der Beitrag wurde am Mittwoch, 10. Juni 2015 veröffentlicht und wurde unter dem Topic iPhone abgelegt.
'Die Apple Watch'

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