Handy
von Klaus Marion.
Veröffentlicht in VorSICHT 8/2014
Es dauerte eine Weile, bis mir im Supermarkt meines Vertrauens auffiel, wie viele Personen während ihres Einkaufs mit Ihrem Handy oder Smartphone telefonierten.
Nun ist das ja eigentlich nicht wirklich etwas Besonderes: Auf jedem Bürgersteig oder in jeder Fußgängerzone kann man beobachten, wie viele entgegenkommende Mitmenschen mit ihrem Handy telefonieren.
In Zeiten immer kleiner werdender Handys war dies eine besonders komisch anmutende Erscheinung: Die betreffende Person sah dann so aus, als ob sie mit der flachen Hand verzweifelt gegen ihre akuten Ohrschmerzen angehen würde.
Seit Smartphones wieder größer werden, sieht es jetzt eher so aus, als ob man sich ein Taschenbuch ans Ohr halten würde. Aber – und das wurde mir plötzlich bewusst – es sind meist Frauen, die sich da während des Gehens mit einer Person am anderen Ende angeregt unterhalten.
Natürlich nicht ausschließlich: Es gibt auch ab und an Männer, die unterwegs ein Gespräch führen. Meist recht laut, und für alle zum Mithören.
Und natürlich gibt es noch die Telefongespräche, die man bevorzugt in dunklen Seitengassen und zu später Stunde führt, bei denen man sich an gedrungenen und zwielichtig aussehenden Gestalten vorbeidrückt und in einer Art Selbstgespräch sehr laut und sehr nachdrücklich ins ausgeschaltete Handy spricht: "Ja, Herr Wachmeister, ich habe meine Kamera auf live geschaltet – Sie können jetzt alles direkt beobachten!!"
Aber, um wieder zu meinem ursprünglichen Thema zu kommen: In dem weitläufigen Supermarkt schienen alle Telefonierer Männer zu sein! Alle hielten sie ihr Smartphone ans Ohr und starrten in irgendwelche Regale. Seltsam. Was taten sie da?
Ich trat unauffällig einem der Gestalten näher, um dem Phänomen auf den Grund zu gehen.
"Nein, da ist kein Frischkäse mit 30%. Der Frischkäse hat 60%. … Wieso daneben?? Ach ja, stimmt ja, der hat dann 30%... Wieso Sonderangebot? Ach, da unten!"
Aha! Es schien sich um eine externe Hilfestellung bei der Durchführung des Einkaufs zu handeln. Anscheinend gab es eine Unklarheit bei der Interpretation des Einkaufszettels, die durch einen häuslichen Anruf geklärt werden musst.
"Was brauchen wir noch? ... Und wo ist das Brot?" Offensichtlich war hier sogar der Einkaufszettel überflüssig und wurde durch eine Telefonflatrate mit Direktdurchsage ersetzt.
Nachdenklich beendete ich meinen eigenen Einkauf.
Eine Blitzumfrage im engeren männlichen Bekanntenkreis ergab neben einigem Herumgedruckse ein erschreckendes Ergebnis: 82,87% aller Männer werden von ihrer Partnerin entweder ohne oder nur mich stichpunktartigem Einkaufszettel zu Besorgungen geschickt. Wie mir auf vorsichtige Nachfrage beim anderen Geschlecht bestätigt wurde, auch mit gutem Grund: "Egal was ich aufschreibe, er bringt immer was falsches mit. Der findet nie was. Da ist es einfacher, wenn ich ihn direkt steuere."
Und das ist durchaus wörtlich zu nehmen.
Vor wenigen Wochen konnte ich hören, wie eine gleichermaßen resolute wie weibliche Stimme aus einem ans Ort gehaltenen Gerät ertönte: "Links… geradeaus… geradesaus… rechts… Stopp…90 Grad im Uhrzeigersinn wenden… in die Hocke gehen. Unten links, zweite Regalebene. Hand ausstrecken…"
Der arme Wicht folgte brav den Anweisungen, während er mit irrlichternden Blicken die ihm fremde Warenwelt betrachtete und die Lasagne-Platten im Sonderangebot ergriff.
Nun, dies ist natürlich eine extreme Situation.
Doch seitdem ich meine Beobachtung zum ersten Mal gemacht hatte, fallen mir solche Dinge auf. So beobachtete ich regelmäßig, wie junge Männer mit ihren Smartphones Bilder von Waren im Kühlregal oder an der Fleischtheke machten, um diese dann per WhatsApp an ihre bessere Hälfte zwecks Klärung des korrekten Einkaufs zu versenden.
Bei näherer Betrachtung muss man hier von einer absolut entwürdigenden Situation sprechen. Arme, menschliche Geschöpfe, die zu einer Art ferngelenktem Roboter werden, ihre Persönlichkeit aufgeben müssen, um sich einer fremden Macht zu Konsumzwecken bedingungslos zu unterwerfen.
Als ich letzte Woche beobachtete, wie zwei wildfremde männliche Einkäufer verschämt die Handys tauschten, weil sie die von ihren Steuerfrauen gesendeten Einkaufsanweisungen nicht durchschauen konnten, war mir klar, dass ich hier etwas unternehmen müsse.
Ich würde eine Bürgerinitiative gegen den Einsatz von Handys in Supermärkten gründen!
In Gedanken verfasste ich schon einen flammenden Protestbrief, der an die wichtigsten Medien, den Petitionsausschuss sowie an das Bundesverfassungsgericht gesendet würde:
Männer, werft Eure Ketten ab! Hört nicht mehr die Signale!!
Ich sollte dringend Briefumschläge kaufen. Wo waren die hier noch mal? Ich blickte mich hilfesuchend um, aber auch keine Verkaufskraft war zu sehen. Ich zückte mein Handy und rief zu Hause an.
"Weißt Du, wo hier die Briefumschläge sind? Ach so, links, dann rechts, dann zweiter Gang links. Aber da sind keine! Wieso tiefer? Im dritten Regal? Da ist nichts… Ach doch, jetzt sehe ich es! Äh, ich danke Dir!"
Was wollte ich noch mal machen?
von Klaus Marion.
Veröffentlicht in VorSICHT 8/2014
Es dauerte eine Weile, bis mir im Supermarkt meines Vertrauens auffiel, wie viele Personen während ihres Einkaufs mit Ihrem Handy oder Smartphone telefonierten.
Nun ist das ja eigentlich nicht wirklich etwas Besonderes: Auf jedem Bürgersteig oder in jeder Fußgängerzone kann man beobachten, wie viele entgegenkommende Mitmenschen mit ihrem Handy telefonieren.
In Zeiten immer kleiner werdender Handys war dies eine besonders komisch anmutende Erscheinung: Die betreffende Person sah dann so aus, als ob sie mit der flachen Hand verzweifelt gegen ihre akuten Ohrschmerzen angehen würde.
Seit Smartphones wieder größer werden, sieht es jetzt eher so aus, als ob man sich ein Taschenbuch ans Ohr halten würde. Aber – und das wurde mir plötzlich bewusst – es sind meist Frauen, die sich da während des Gehens mit einer Person am anderen Ende angeregt unterhalten.
Natürlich nicht ausschließlich: Es gibt auch ab und an Männer, die unterwegs ein Gespräch führen. Meist recht laut, und für alle zum Mithören.
Und natürlich gibt es noch die Telefongespräche, die man bevorzugt in dunklen Seitengassen und zu später Stunde führt, bei denen man sich an gedrungenen und zwielichtig aussehenden Gestalten vorbeidrückt und in einer Art Selbstgespräch sehr laut und sehr nachdrücklich ins ausgeschaltete Handy spricht: "Ja, Herr Wachmeister, ich habe meine Kamera auf live geschaltet – Sie können jetzt alles direkt beobachten!!"
Aber, um wieder zu meinem ursprünglichen Thema zu kommen: In dem weitläufigen Supermarkt schienen alle Telefonierer Männer zu sein! Alle hielten sie ihr Smartphone ans Ohr und starrten in irgendwelche Regale. Seltsam. Was taten sie da?
Ich trat unauffällig einem der Gestalten näher, um dem Phänomen auf den Grund zu gehen.
"Nein, da ist kein Frischkäse mit 30%. Der Frischkäse hat 60%. … Wieso daneben?? Ach ja, stimmt ja, der hat dann 30%... Wieso Sonderangebot? Ach, da unten!"
Aha! Es schien sich um eine externe Hilfestellung bei der Durchführung des Einkaufs zu handeln. Anscheinend gab es eine Unklarheit bei der Interpretation des Einkaufszettels, die durch einen häuslichen Anruf geklärt werden musst.
"Was brauchen wir noch? ... Und wo ist das Brot?" Offensichtlich war hier sogar der Einkaufszettel überflüssig und wurde durch eine Telefonflatrate mit Direktdurchsage ersetzt.
Nachdenklich beendete ich meinen eigenen Einkauf.
Eine Blitzumfrage im engeren männlichen Bekanntenkreis ergab neben einigem Herumgedruckse ein erschreckendes Ergebnis: 82,87% aller Männer werden von ihrer Partnerin entweder ohne oder nur mich stichpunktartigem Einkaufszettel zu Besorgungen geschickt. Wie mir auf vorsichtige Nachfrage beim anderen Geschlecht bestätigt wurde, auch mit gutem Grund: "Egal was ich aufschreibe, er bringt immer was falsches mit. Der findet nie was. Da ist es einfacher, wenn ich ihn direkt steuere."
Und das ist durchaus wörtlich zu nehmen.
Vor wenigen Wochen konnte ich hören, wie eine gleichermaßen resolute wie weibliche Stimme aus einem ans Ort gehaltenen Gerät ertönte: "Links… geradeaus… geradesaus… rechts… Stopp…90 Grad im Uhrzeigersinn wenden… in die Hocke gehen. Unten links, zweite Regalebene. Hand ausstrecken…"
Der arme Wicht folgte brav den Anweisungen, während er mit irrlichternden Blicken die ihm fremde Warenwelt betrachtete und die Lasagne-Platten im Sonderangebot ergriff.
Nun, dies ist natürlich eine extreme Situation.
Doch seitdem ich meine Beobachtung zum ersten Mal gemacht hatte, fallen mir solche Dinge auf. So beobachtete ich regelmäßig, wie junge Männer mit ihren Smartphones Bilder von Waren im Kühlregal oder an der Fleischtheke machten, um diese dann per WhatsApp an ihre bessere Hälfte zwecks Klärung des korrekten Einkaufs zu versenden.
Bei näherer Betrachtung muss man hier von einer absolut entwürdigenden Situation sprechen. Arme, menschliche Geschöpfe, die zu einer Art ferngelenktem Roboter werden, ihre Persönlichkeit aufgeben müssen, um sich einer fremden Macht zu Konsumzwecken bedingungslos zu unterwerfen.
Als ich letzte Woche beobachtete, wie zwei wildfremde männliche Einkäufer verschämt die Handys tauschten, weil sie die von ihren Steuerfrauen gesendeten Einkaufsanweisungen nicht durchschauen konnten, war mir klar, dass ich hier etwas unternehmen müsse.
Ich würde eine Bürgerinitiative gegen den Einsatz von Handys in Supermärkten gründen!
In Gedanken verfasste ich schon einen flammenden Protestbrief, der an die wichtigsten Medien, den Petitionsausschuss sowie an das Bundesverfassungsgericht gesendet würde:
Männer, werft Eure Ketten ab! Hört nicht mehr die Signale!!
Ich sollte dringend Briefumschläge kaufen. Wo waren die hier noch mal? Ich blickte mich hilfesuchend um, aber auch keine Verkaufskraft war zu sehen. Ich zückte mein Handy und rief zu Hause an.
"Weißt Du, wo hier die Briefumschläge sind? Ach so, links, dann rechts, dann zweiter Gang links. Aber da sind keine! Wieso tiefer? Im dritten Regal? Da ist nichts… Ach doch, jetzt sehe ich es! Äh, ich danke Dir!"
Was wollte ich noch mal machen?
Der Beitrag wurde am Freitag, 3. April 2015 veröffentlicht und wurde unter dem Topic Satiren - VORSICHT abgelegt.
'Handy - Satire aus VorSicht 8/2014'
Teilen