Es stinkt zum Himmel!
von Klaus Marion.
Veröffentlicht in VorSICHT 6/2014
Unter diesem gleichermaßen programmatischen wie wahren Titel hätte man jahrzehntelang ausschweifende Berichte über die unhaltbaren Zustände der Toiletteninstallationen in manchen deutschen Gaststätten und Kneipen schreiben können.
Über die Toiletten in deutschen Lokalen habe ich in langen Jahren der investigativen Satire trotzdem nie ein tieferes Wort verloren. Warum sollte ich auch? Ihr oftmals katastrophaler Zustand und die schrecklichen sanitären Bedingungen nahm man so schicksalsergeben hin wie Vulkanausbrüche oder die allgemeine Unfähigkeit von Politikern: Traurig, aber naturgesetzlich leider nicht zu ändern.
Dabei sollte in fairer Weise hinzufügt werden, dass ich hier naturgemäß nur von den für den männlichen Teil der Bevölkerung bereitgestellten Einrichtungen sprechen kann. Ganz selbstverständlich ging ich jedoch immer davon aus, dass der weibliche Teil der Bevölkerung genauso davon betroffen ist.
So ist die Zahl der Kneipen und Landgaststätten Legion, bei denen der Anblick der sogenannten „sanitären Einrichtungen“ nur schicksalsergebenes Seufzen auslösen kann. Der Anblick der Toilettenanlagen, meist in das düstere Licht einen 20 Watt-Glühlampe getaucht, ist mit „schauerlich“ nur sehr unvollständig zu beschreiben. Eine Vielzahl der dortigen WCs machen den Eindruck, dass es sich um umgebaute Feldlatrinen der Frankreichfeldzüge 1870/71 handeln müsse – zumindest der wahrnehmbare Geruch kann diese Vermutung nur untermauern.
Ein Sporttrainer gab mir in jungen Jahren mal den wohlgemeinten Tipp, in den Toiletten der Sportanlage nichts zu berühren, wenn mir meine allgemeine Gesundheit lieb sei. Er empfahl, die Türklinke sowie die Wasserspülungen nach Möglichkeit nur mit den Füßen zu bedienen – ein Ratschlag, der beim Betrachten der hygienischen Zustände so mancher Toilette offensichtlich von der Mehrzahl der männlichen Bevölkerung immer noch befolgt wird.
Die Frage nach einer Nutzung des Waschbeckens stellte sich sowieso nicht: Selbst wenn der dortige Wasserhahn funktionieren würde, wäre die Benutzung der mit einer Schimmelschicht überzogenen Seife aus den frühen 80er Jahren ein nicht zu tolerierendes Gesundheitsrisiko gewesen.
Ein räsonieren über grundsätzlich leere Papiertuchspender und funktionsunfähige Händetrockner ist in Anbetracht der Gesamtsituation der offensichtlich nur zum Jahreswechsel gereinigten Anlagen völlig sinnlos. So geht man also über den Zustand der gebotenen Örtlichkeiten kommentarlos hinweg, zumal wohl gerade viele Kneipenwirte offensichtlich der Meinung sind, dass die Ansprüche ihrer Kunden nach 3 bis 4 Bier sowieso sehr niedrig sind.
Was mir allerdings im Laufe der Jahre immer stärker auffiel, war die offensichtliche Diskrepanz zwischen dem persönlichen Erleben und den begeisternden Berichten des weiblichen Teils der Gäste am Tisch.
„Hast Du diese schönen Toiletten gesehen? Die hübsche Wandtäfelung? Die freundlichen Farben? Und die Musik war toll!“
Was für eine Musik?? Das Herren-WC bot direkten Blick auf den Hinterhof, war klein, dunkel, verschieden Fliesen fielen von der Wand, und die einzige lautmalerische Untermalung war das Fluchen des südasiatischen Küchenhelfers beim Ausnehmen eines Huhnes in einer mir nicht geläufigen Sprache.
Nun will man bei solchen Gelegenheiten nicht unbedingt das Gespräch auf mangelhafte sanitäre Ausstattungen lenken, doch irgendwann wurde mir klar, dass es sich nicht um eine geschlechtsspezifische Wahrnehmungsstörung handeln kann, sondern dass manche Restaurantbesitzer anscheinend Unterschiede in Gestaltung, Pflege und Ausstattung bei den Angeboten für die weiblichen Gäste machen.
Würde sich das jemals ändern?.
Selbst Autobahntoiletten haben ja inzwischen einen Großteil ihres jahrzehntelangen Schreckens verloren. Wäre es nicht langsam Zeit, dass sich auch auf dem Sanitärsektor der Gastronomiebranche für männliche Gäste etwas verbessern müsste?
Und tatsächlich! Am letzten Wochenende war es soweit: Bei einem familiären Besuch in einem Lokal gehobenen Anspruchs suchte ich nach einem sehr schmackhaften Essen die dezent mit „Sanitär-Oase“ ausgeschilderten Örtlichkeiten auf.
Ich war völlig geplättet: Die Waschbecken waren als marmorne Schalen ausgebildet, sanfte Musik von Richard Clayderman verwöhnte das Ohr, automatischen Sprühgeräte an der Wand verströmten in regelmäßigen Abständen wunderbar duftende Essenzen. Die Wandtäfelung in Sandelholz harmonierte wunderbar mit den geschmackvollen Ebenholzapplikationen, der Boden war ein Traum in Terrakotta. Stoffhandtücher zur einmaligen Benutzung lagen bereit, in kleinen Bastkörbchen befanden sich Tuben mit Hautcremes und Duftwässerchen, in farbigen Krügen mit Duftessenzen schwammen Rosenblätter und Blüten von Seerosen. Maniküresets warteten auf ihre Benutzung, ein bequemer Stuhl im Schilfrohrdesign und weichen Kissen offerierte kurze und entspannende Auszeiten von der Realität des Alltags. Ich atmete tief die parfümgeschwängerte Luft ein. Ja, so hatte ich mir ein WC immer vorgestellt. Endlich sind auch wir Männer im 21. Jahrhundert angekommen…
„He Sie, was machen Sie denn im Damen-WC??“
Eine Entschuldigung murmelnd trat ich eiligst die Flucht an und fand um die Ecke die richtige Tür. Die schlecht beleuchtete Räumlichkeit in abgewetzten grauen Fließen und einem strengen Geruch nach Salmiak verströmte den Charme einer Toilettenanlage der Bundeswehr.
Seufzend erledigte ich meine geplanten Tätigkeiten und ging zum Waschbecken.
Es war defekt.
von Klaus Marion.
Veröffentlicht in VorSICHT 6/2014
Unter diesem gleichermaßen programmatischen wie wahren Titel hätte man jahrzehntelang ausschweifende Berichte über die unhaltbaren Zustände der Toiletteninstallationen in manchen deutschen Gaststätten und Kneipen schreiben können.
Über die Toiletten in deutschen Lokalen habe ich in langen Jahren der investigativen Satire trotzdem nie ein tieferes Wort verloren. Warum sollte ich auch? Ihr oftmals katastrophaler Zustand und die schrecklichen sanitären Bedingungen nahm man so schicksalsergeben hin wie Vulkanausbrüche oder die allgemeine Unfähigkeit von Politikern: Traurig, aber naturgesetzlich leider nicht zu ändern.
Dabei sollte in fairer Weise hinzufügt werden, dass ich hier naturgemäß nur von den für den männlichen Teil der Bevölkerung bereitgestellten Einrichtungen sprechen kann. Ganz selbstverständlich ging ich jedoch immer davon aus, dass der weibliche Teil der Bevölkerung genauso davon betroffen ist.
So ist die Zahl der Kneipen und Landgaststätten Legion, bei denen der Anblick der sogenannten „sanitären Einrichtungen“ nur schicksalsergebenes Seufzen auslösen kann. Der Anblick der Toilettenanlagen, meist in das düstere Licht einen 20 Watt-Glühlampe getaucht, ist mit „schauerlich“ nur sehr unvollständig zu beschreiben. Eine Vielzahl der dortigen WCs machen den Eindruck, dass es sich um umgebaute Feldlatrinen der Frankreichfeldzüge 1870/71 handeln müsse – zumindest der wahrnehmbare Geruch kann diese Vermutung nur untermauern.
Ein Sporttrainer gab mir in jungen Jahren mal den wohlgemeinten Tipp, in den Toiletten der Sportanlage nichts zu berühren, wenn mir meine allgemeine Gesundheit lieb sei. Er empfahl, die Türklinke sowie die Wasserspülungen nach Möglichkeit nur mit den Füßen zu bedienen – ein Ratschlag, der beim Betrachten der hygienischen Zustände so mancher Toilette offensichtlich von der Mehrzahl der männlichen Bevölkerung immer noch befolgt wird.
Die Frage nach einer Nutzung des Waschbeckens stellte sich sowieso nicht: Selbst wenn der dortige Wasserhahn funktionieren würde, wäre die Benutzung der mit einer Schimmelschicht überzogenen Seife aus den frühen 80er Jahren ein nicht zu tolerierendes Gesundheitsrisiko gewesen.
Ein räsonieren über grundsätzlich leere Papiertuchspender und funktionsunfähige Händetrockner ist in Anbetracht der Gesamtsituation der offensichtlich nur zum Jahreswechsel gereinigten Anlagen völlig sinnlos. So geht man also über den Zustand der gebotenen Örtlichkeiten kommentarlos hinweg, zumal wohl gerade viele Kneipenwirte offensichtlich der Meinung sind, dass die Ansprüche ihrer Kunden nach 3 bis 4 Bier sowieso sehr niedrig sind.
Was mir allerdings im Laufe der Jahre immer stärker auffiel, war die offensichtliche Diskrepanz zwischen dem persönlichen Erleben und den begeisternden Berichten des weiblichen Teils der Gäste am Tisch.
„Hast Du diese schönen Toiletten gesehen? Die hübsche Wandtäfelung? Die freundlichen Farben? Und die Musik war toll!“
Was für eine Musik?? Das Herren-WC bot direkten Blick auf den Hinterhof, war klein, dunkel, verschieden Fliesen fielen von der Wand, und die einzige lautmalerische Untermalung war das Fluchen des südasiatischen Küchenhelfers beim Ausnehmen eines Huhnes in einer mir nicht geläufigen Sprache.
Nun will man bei solchen Gelegenheiten nicht unbedingt das Gespräch auf mangelhafte sanitäre Ausstattungen lenken, doch irgendwann wurde mir klar, dass es sich nicht um eine geschlechtsspezifische Wahrnehmungsstörung handeln kann, sondern dass manche Restaurantbesitzer anscheinend Unterschiede in Gestaltung, Pflege und Ausstattung bei den Angeboten für die weiblichen Gäste machen.
Würde sich das jemals ändern?.
Selbst Autobahntoiletten haben ja inzwischen einen Großteil ihres jahrzehntelangen Schreckens verloren. Wäre es nicht langsam Zeit, dass sich auch auf dem Sanitärsektor der Gastronomiebranche für männliche Gäste etwas verbessern müsste?
Und tatsächlich! Am letzten Wochenende war es soweit: Bei einem familiären Besuch in einem Lokal gehobenen Anspruchs suchte ich nach einem sehr schmackhaften Essen die dezent mit „Sanitär-Oase“ ausgeschilderten Örtlichkeiten auf.
Ich war völlig geplättet: Die Waschbecken waren als marmorne Schalen ausgebildet, sanfte Musik von Richard Clayderman verwöhnte das Ohr, automatischen Sprühgeräte an der Wand verströmten in regelmäßigen Abständen wunderbar duftende Essenzen. Die Wandtäfelung in Sandelholz harmonierte wunderbar mit den geschmackvollen Ebenholzapplikationen, der Boden war ein Traum in Terrakotta. Stoffhandtücher zur einmaligen Benutzung lagen bereit, in kleinen Bastkörbchen befanden sich Tuben mit Hautcremes und Duftwässerchen, in farbigen Krügen mit Duftessenzen schwammen Rosenblätter und Blüten von Seerosen. Maniküresets warteten auf ihre Benutzung, ein bequemer Stuhl im Schilfrohrdesign und weichen Kissen offerierte kurze und entspannende Auszeiten von der Realität des Alltags. Ich atmete tief die parfümgeschwängerte Luft ein. Ja, so hatte ich mir ein WC immer vorgestellt. Endlich sind auch wir Männer im 21. Jahrhundert angekommen…
„He Sie, was machen Sie denn im Damen-WC??“
Eine Entschuldigung murmelnd trat ich eiligst die Flucht an und fand um die Ecke die richtige Tür. Die schlecht beleuchtete Räumlichkeit in abgewetzten grauen Fließen und einem strengen Geruch nach Salmiak verströmte den Charme einer Toilettenanlage der Bundeswehr.
Seufzend erledigte ich meine geplanten Tätigkeiten und ging zum Waschbecken.
Es war defekt.
Der Beitrag wurde am Dienstag, 21. Oktober 2014 veröffentlicht und wurde unter dem Topic Satiren - VORSICHT abgelegt.
'Es stinkt zum Himmel ! Satire aus VorSICHT 6/14'
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