Die neue Lampe
von Klaus Marion.
Veröffentlicht in VORSICHT 4/2014
Zu den wenigen Bereichen, in denen sich in der heutigen Zeit der Mann noch seiner geistigen und praktischen Überlegenheit sicher sein kann, gehört die eigenhändige Verschönerung der heimischen vier Wände. Mit der Bohrmaschine in der Hand kann er zeigen, dass er immer noch der Held der handwerklichen Arbeit ist.
Es war meine Frau, die mich auf den Missstand aufmerksam machte.
"Der Gang im Eingang ist ein bisschen zu dunkel. Da müssten wir etwas machen!"
Ich gab ihr absolut Recht und schlug die Verspannung eines Seilsystems mit LED-Strahlern vor. Effizient, energiesparend, hell, warm-weiß. Modern.
"Wenn Du meinst. Welchen Handwerker bestellen wir?"
Ich lächelte milde. Die Verlegung von Seilsystemen, so führte ich aus, wäre eine meiner Stärken im heimwerkerischen Bereich. Da wäre der Einsatz eines wie immer gearteten teuren Beleuchtungsspezialisten absolut unnötig. Auch Schmutz wäre keiner zu befürchten. Zwei Dübel auf jeder Seite des Ganges gebohrt, Seil gespannt und per Trafo angeschlossen. Fertig. Eine Montage, vor deren geradezu chirurgischer Präzision auch Experten vor Neid erblassen würden.
Gesagt getan. Mit der Bohrmaschine bewaffnet, setzte ich nach genauer Markierung auf der einen Seite punktgenau zwei Löcher à 8 mm, versenkte die zugehörigen Dübel und drehte die Wandhaken hinein. Ich lächelte zu meiner Gattin.
"Siehst Du, die Hälfte der Arbeit ist schon erledigt!"
Mit einer eleganten Bewegung stellte ich die Leiter an der anderen Gangseite auf, markierte die korrespondierenden Punkte und begann zu bohren.
Der Feuerblitz, der nach wenigen Zentimetern aus dem begonnenen Bohrloch schoss, kontrastierte sehr effektvoll mit der plötzlichen Dunkelheit des Hauses.
"Du hast eine Leitung angebohrt!" Der Hinweis meiner Tochter war gleichermaßen unnötig wie vorwurfsvoll. Ich starrte auf die Wand. Wer zieht denn über einer Tür waagrecht ein Elektrokabel?
Ich drückte die Sicherung wieder hinein und starrte auf die Wand. Nun, dann würde das Seilsystem eben abschüssig werden. Ich markierte einen Punkt zehn Zentimeter weiter unten, um einen sicheren Abstand zur verlegten Leitung zu bekommen, und begann vorsichtig ein neues Loch zu bohren. Dieses Mal versengte der Blitz meine rechte Augenbraue.
Meine Frau informierte mich darüber, dass der Keller mit dem Tiefkühlschrank keinen Strom mehr habe. Ob sie einen Elektriker anrufen solle?
Dies wies ich gleichermaßen würdevoll wie entschieden von mir. Um aber Hinweise für das weitere Vorgehen zu bekommen, telefonierte ich unauffällig mit meinem für seine Heimwerkerkenntnisse bekannten Freund Herbert. Ich schilderte ihm die Sachlage und erläuterte ihm meine geplante Vorgehensweise.
"Bist Du verrückt?" röhrte Herbert durchs Telefon. "Du kannst nicht einfach Leitungen anbohren und Sie dann offen in der Wand lassen! Da bleibt Dir nur, die Wand aufzuklopfen und an der Unterbrechungsstelle eine Dose zu setzen. Warum hast Du eigentlich nicht vorher einen Fachmann gefragt?" Ich beendete das Gespräch betont kühl.
"Er sagt, überhaupt kein Problem, das kriege ich gleich wieder hin. Wo ist der Meißel"
Ich begann den Verputz von der Wand zu schlagen. Offensichtlich wurde die ganze Höhe über der Zimmertür von allerlei Elektroleitungen eingenommen, was ich feststellte, nachdem ich mit dem Meißel eine weitere Ader durchtrennt hatte. Ich versuchte, ein Loch für eine Dose in das Mauerwerk zu schlagen. Der seltsam harte Stein leistete jedoch erbitterten Widerstand. Jetzt war es dringend Zeit, schwereres Geschütz aufzufahren. Ein Schlag mit dem Vorschlaghammer aus dem Garten lies den Stein zurückweichen. Er zerbrach an der Einschlagstelle und drückte sich auf der anderen Wandseite nach außen, wo der großflächig herabfallende Verputz den Holzboden darunter beschädigte.
Der Vorschlag an meine Frau, über der Tür einfach die Öffnung zu belassen, fand keine Zustimmung.
"Bring das in Ordnung! Jetzt geht auch die Heizung nicht mehr. Anscheinend hat die Steuerelektronik keinen Strom mehr! Du hast übrigens den Teppichboden im Gang beschädigt!"
Tatsächlich. Der Teppich wies unschöne Brandlöcher vom elektrischen Funkenflug auf.
Ich telefonierte erneut mit Herbert und schilderte ihm die aktuelle Lage.
"Das ist kein Stein, das ist ein 'Sturz'! Das Ding trägt das Gewicht der Decke über der Tür. Damit ist nicht zu spaßen! Sieh zu, dass Du einen Bauhandwerker bekommst!"
Ich griff kleinlaut zu einem Telefonbuch.
Den in schnellem Wechsel nacheinander eintreffenden Handwerkern erläuterte ich auf ihre fragenden Blicke hin kurz, dass der entstandene Schaden einfach schnellstmöglich zu beseitigen sei und deutete an, dass die Beschädigung von randalierenden Jugendlichen ausgelöst worden wäre.
Das permanente Kopfschütteln des Elektrikers war dabei genauso unnötig wie die ständig schnalzenden Laute des Baufachmanns, als er zur Sicherung der Deckenstütze Löcher in den Boden schlug. Der Parkettleger murmelte etwas von 'Generalsanierung' und entlockte seinem Taschenrechner hohe vierstellige Zahlen.
Kaum drei Wochen später waren Parkett, Wände, Sturz, Kabel, Tapeten und Teppichboden wieder im ursprünglichen Zustand.
"Und das Seilsystem?" fragte meine Frau.
"Brauchen wir nicht. Weißt Du, wir drehen einfach eine stärkere Birne rein!"
von Klaus Marion.
Veröffentlicht in VORSICHT 4/2014
Zu den wenigen Bereichen, in denen sich in der heutigen Zeit der Mann noch seiner geistigen und praktischen Überlegenheit sicher sein kann, gehört die eigenhändige Verschönerung der heimischen vier Wände. Mit der Bohrmaschine in der Hand kann er zeigen, dass er immer noch der Held der handwerklichen Arbeit ist.
Es war meine Frau, die mich auf den Missstand aufmerksam machte.
"Der Gang im Eingang ist ein bisschen zu dunkel. Da müssten wir etwas machen!"
Ich gab ihr absolut Recht und schlug die Verspannung eines Seilsystems mit LED-Strahlern vor. Effizient, energiesparend, hell, warm-weiß. Modern.
"Wenn Du meinst. Welchen Handwerker bestellen wir?"
Ich lächelte milde. Die Verlegung von Seilsystemen, so führte ich aus, wäre eine meiner Stärken im heimwerkerischen Bereich. Da wäre der Einsatz eines wie immer gearteten teuren Beleuchtungsspezialisten absolut unnötig. Auch Schmutz wäre keiner zu befürchten. Zwei Dübel auf jeder Seite des Ganges gebohrt, Seil gespannt und per Trafo angeschlossen. Fertig. Eine Montage, vor deren geradezu chirurgischer Präzision auch Experten vor Neid erblassen würden.
Gesagt getan. Mit der Bohrmaschine bewaffnet, setzte ich nach genauer Markierung auf der einen Seite punktgenau zwei Löcher à 8 mm, versenkte die zugehörigen Dübel und drehte die Wandhaken hinein. Ich lächelte zu meiner Gattin.
"Siehst Du, die Hälfte der Arbeit ist schon erledigt!"
Mit einer eleganten Bewegung stellte ich die Leiter an der anderen Gangseite auf, markierte die korrespondierenden Punkte und begann zu bohren.
Der Feuerblitz, der nach wenigen Zentimetern aus dem begonnenen Bohrloch schoss, kontrastierte sehr effektvoll mit der plötzlichen Dunkelheit des Hauses.
"Du hast eine Leitung angebohrt!" Der Hinweis meiner Tochter war gleichermaßen unnötig wie vorwurfsvoll. Ich starrte auf die Wand. Wer zieht denn über einer Tür waagrecht ein Elektrokabel?
Ich drückte die Sicherung wieder hinein und starrte auf die Wand. Nun, dann würde das Seilsystem eben abschüssig werden. Ich markierte einen Punkt zehn Zentimeter weiter unten, um einen sicheren Abstand zur verlegten Leitung zu bekommen, und begann vorsichtig ein neues Loch zu bohren. Dieses Mal versengte der Blitz meine rechte Augenbraue.
Meine Frau informierte mich darüber, dass der Keller mit dem Tiefkühlschrank keinen Strom mehr habe. Ob sie einen Elektriker anrufen solle?
Dies wies ich gleichermaßen würdevoll wie entschieden von mir. Um aber Hinweise für das weitere Vorgehen zu bekommen, telefonierte ich unauffällig mit meinem für seine Heimwerkerkenntnisse bekannten Freund Herbert. Ich schilderte ihm die Sachlage und erläuterte ihm meine geplante Vorgehensweise.
"Bist Du verrückt?" röhrte Herbert durchs Telefon. "Du kannst nicht einfach Leitungen anbohren und Sie dann offen in der Wand lassen! Da bleibt Dir nur, die Wand aufzuklopfen und an der Unterbrechungsstelle eine Dose zu setzen. Warum hast Du eigentlich nicht vorher einen Fachmann gefragt?" Ich beendete das Gespräch betont kühl.
"Er sagt, überhaupt kein Problem, das kriege ich gleich wieder hin. Wo ist der Meißel"
Ich begann den Verputz von der Wand zu schlagen. Offensichtlich wurde die ganze Höhe über der Zimmertür von allerlei Elektroleitungen eingenommen, was ich feststellte, nachdem ich mit dem Meißel eine weitere Ader durchtrennt hatte. Ich versuchte, ein Loch für eine Dose in das Mauerwerk zu schlagen. Der seltsam harte Stein leistete jedoch erbitterten Widerstand. Jetzt war es dringend Zeit, schwereres Geschütz aufzufahren. Ein Schlag mit dem Vorschlaghammer aus dem Garten lies den Stein zurückweichen. Er zerbrach an der Einschlagstelle und drückte sich auf der anderen Wandseite nach außen, wo der großflächig herabfallende Verputz den Holzboden darunter beschädigte.
Der Vorschlag an meine Frau, über der Tür einfach die Öffnung zu belassen, fand keine Zustimmung.
"Bring das in Ordnung! Jetzt geht auch die Heizung nicht mehr. Anscheinend hat die Steuerelektronik keinen Strom mehr! Du hast übrigens den Teppichboden im Gang beschädigt!"
Tatsächlich. Der Teppich wies unschöne Brandlöcher vom elektrischen Funkenflug auf.
Ich telefonierte erneut mit Herbert und schilderte ihm die aktuelle Lage.
"Das ist kein Stein, das ist ein 'Sturz'! Das Ding trägt das Gewicht der Decke über der Tür. Damit ist nicht zu spaßen! Sieh zu, dass Du einen Bauhandwerker bekommst!"
Ich griff kleinlaut zu einem Telefonbuch.
Den in schnellem Wechsel nacheinander eintreffenden Handwerkern erläuterte ich auf ihre fragenden Blicke hin kurz, dass der entstandene Schaden einfach schnellstmöglich zu beseitigen sei und deutete an, dass die Beschädigung von randalierenden Jugendlichen ausgelöst worden wäre.
Das permanente Kopfschütteln des Elektrikers war dabei genauso unnötig wie die ständig schnalzenden Laute des Baufachmanns, als er zur Sicherung der Deckenstütze Löcher in den Boden schlug. Der Parkettleger murmelte etwas von 'Generalsanierung' und entlockte seinem Taschenrechner hohe vierstellige Zahlen.
Kaum drei Wochen später waren Parkett, Wände, Sturz, Kabel, Tapeten und Teppichboden wieder im ursprünglichen Zustand.
"Und das Seilsystem?" fragte meine Frau.
"Brauchen wir nicht. Weißt Du, wir drehen einfach eine stärkere Birne rein!"
Der Beitrag wurde am Montag, 14. Juli 2014 veröffentlicht und wurde unter dem Topic Satiren - VORSICHT abgelegt.
'Die neue Lampe - Satire aus VorSicht 4/2014'
Teilen