Ein aktueller Blick in Analog

Analog Science Fiction and Fact gilt (unter wechselnden Namen) als das langlebigste Science Fiction Magazin, das zum ersten Mal 1930 als Astounding SF erschien und unter John W. Campbell jr. seine Blütezeit erlebte. 1971 übernahm Ben Bova die Herausgeberschaft, aktuell wird das Magazin von Stanley Schmidt herausgegeben.
Das Magazin ist inzwischen auch als eBook-Variante für den Leser außerhalb der USA leicht und günstig zu erhalten.

Was tut sich momentan in den aktuellen Ausgaben? Welche Autoren und Inhalte sind erwähnenswert? Lassen wir die letzten 3 Ausgaben Revue passieren und greifen uns interessante Inhalte heraus.



Ausgabe Dezember 2012

Stephen L. Burns Novelette "Hearing Impairment" ist eine sehr amerikanische Science Fiction Kurzgeschichte. Es handelt von einem amerikanischen Senatsausschuss, in dem der Vertreter der Republikanischen Rechten die Existenz von Außerirdischen leugnet – obwohl sie im gegenüberstehen, von irdischen Wissenschaftlern begleitet, und diese Alien auf der ganzen Welt mit Regierungen Kontakt aufgenommen haben.
Nein, es kann sie nicht geben. Schließlich war ja bekanntlich auch die Apollo-Landungen nur ein Schwindel.
Hollywood-Tricks, psychedelische Stoffe, Hypnose. Der Senatsausschuss weigert sich, die Existenz von Außerirdischen anzuerkennen.
Bis der Vorsitzende auf einen Drink auf die Mondoberfläche teleportiert wird…
Man spürt die Frustration des Autors über eine Geisteshandlung, bei der nicht sein kann, was nicht sein darf.

Ken Liu's "The Perfect Book" ist eine Miniatur über unsere zukünftige Welt, in der kein Buch identisch ist, weil die Geschichte im eBook automatisiert den Wünschen, Vorlieben und Hintergründen des Lesers angepasst wird.
Und in der die Hauptperson seiner heimlichen Liebe ein seltsames, verstörendes und trotzdem wunderbares Buch zu lesen gibt – ein selbstgeschriebener, unveränderlicher Roman…
Ein durchaus nachdenklicher Reflex über die Frage, ob an den Leser angepasste Bücher etwas Gutes oder Schlechtes sind.

"Cats Know" von Richard A. Lovett ist eine durchaus unheimliche Geschichte über eine irdische Zukunft, in der wir von holografischen Werbefiguren angesprochen werden, die eine beschränkte Art von Intelligenz haben und auf unsere Antworten reagieren können.
Meist tatsächlich lebenden Personen nachempfunden, verliebt sich Ed in eine dieser Figuren. Er beginnt, diesen Werbeavatar regelmäßig in ein Gespräch zu verwickeln, und versucht in seiner K.I. eine Spur der dahinter liegenden Person zu finden. Traurige und melancholische Geschichte über die Frage, was uns als Menschen ausmacht.



Ausgabe Januar/Februar 2013

Brad R. Torgersen erzählt in "The Exchange Officers" über eine Zukunft, in der Astronauten Roboter-Avatare per Fernsteuerung in der Umlaufbahn steuern, mit sensorischer und optischer Rückkopplung.
Von der Idee nun nicht gerade neu, spielt die Handlung des Angriffs chinesischer Astronauten auf eine Raumstation der USA in einer sehr ungewohnten zukünftigen Welt. Der Traum, Astronaut zu werden – hier einmal ganz anders.

Robert Scherrer liefert mit „Descartes’s Stepchildren“ eine tolle Novelette zur hochphilosophischen Frage ab, ob Intelligenz und Selbstwahrnehmung als Ich zwangsläufig zusammenhängen müssen.
In "Ein Feuer auf der Tiefe" vor 20 Jahren in einem Nebensatz als Überlegung kurz angerissen, wird hier eine Geschichte ausgebreitet, bei der sich die Frage stellt, ob menschliches Verhalten gleichbedeutend mit Selbst-Bewußtsein ist – oder kann ein perfekter Automat wie ein Mensch handeln, ohne wie ein Mensch sich selbst empfinden?
Sehr clevere Handlungsidee, wenn auch mit gewissen Schwächen in der Handlung.

John G. Hemry
“The War of the Worlds, Book One, Chapter 18: the Sergeant-Major”
Passend zum musikalischen Revival von „War of the Worlds“, hier eine witzige Geschichte über ein angeblich verlorenes Kapitel aus dem Originalbuch von "Krieg der Welten", wunderbarer britischer Kolonialstil der Beschreibung des Kampfes des aufrechten englischen Offiziers und seiner Handvoll Männer gegen die Kampfmaschinen der Marsianer.

H.G. Stratmanns "Neighborhood Watch" (Nachbarschaftswache) ist eine ungewöhnliche Erzählung über unserer Sonnensystem, das bevölkert ist von Myriaden von Solarbewohner: Marsianern, Venusianer, vakuumtolerierende intelligenzwesen in den Asteroidengürteln, methanatmende Neptunbewohner, Wesen in den Atmosphären von Jupiter und Saturn, Bewohner der glühenden Merkuroberfläche: Allen Rassen gemeinsam ist ihre Fähigkeit zur telepathischen Kommunikation, und der Ärger über die irdische Rasse und ihre Gefahr für den Frieden in unserem Sonnensystem.
Und weil es einfach immer aufwändiger wird, die blühende Marsoberfläche durch Tarnschirme und Projektionen als völlig ausgedörrt und atmosphärelos zu tarnen (und erst das komplizierte Täuschen dieser Marsrobotersonden…), wird eine Abstimmung angesetzt, ob man nicht einfach diese gefährliche menschliche Brut auf dem 3. Planeten ausradieren sollte – wie schon einmal die herrschenden Intelligenzwesen zur Zeit der Dinosaurier auf der Erde…
Witzige Idee, welche mit Tatsache spielt, dass man eine Zeitlang glaubte, auf dem Mars Kanäle oder grüne Flächen zu sehen, bis dann nach Verbesserung der optischen Instrumente die Kanäle plötzlich verschwunden waren, aber auch niemand sich mehr recht erklären konnte, wie es bei diversen Astronomen zu dieser Täuschung kommen konnte…



Ausgabe März 2013

"The Radioactive Etiquette Book" von Marissa Lingen ist eine manchmal fast überdrehte Novelette in einer menschlichen Zukunft, in der die Icherzählerin im diplomatischen Dienst auf einer Raumstation um einen fremden Planeten arbeitet, und in der neben dem diplomatischen Dienst auch die Betreuung der halbwüchsigen Kinder des Botschafters und die Unterweisung der noch unerfahrenen Mitarbeiter zu ihren Diensten gehört.
Alle Fragen zum diplomatischen Umgang, zur Etiquette, zum sinnvollen Verhalten und den wichtigen Regeln des Verhandelns mit Fremdwesen sind im "BUCH" festgehalten, dem Standardwerk für den irdischen diplomatischen Dienst.
Und aus dieser recht konventionellen Ausgangssituation wird nach dem Verschwinden der Kinder des Botschafters, dem Diebstahl des Top-Secret-BUCHS, den stockenden Verhandlungen mit fremdartigen Wesen, der versuchten Erpressung des irdischen Dienstes sowie terroristischer Aktionen eine immer chaotischer werdenden Handlung, die aber schließlich (absehbar) zu einem guten Ende gebracht wird.
Klasse Geschichte, die bei aller Konventionalität doch auch sehr interessante Gedanken äußert: Zum Beispiel zu der Überlegung, dass man strategische Bündnisse grundsätzlich mit den Rassen abschließt, die einem am wenigsten ähnlich sind. Dann ist die Wahrscheinlichkeit am größten, dass man nicht die gleichen Ressourcen und Planeten benötigt und beansprucht, und auch die Vorstellungen von Macht oder Herrschaft sich am wenigsten in die Quere kommen.

Harry Turtledove's "It's the End oft he World as We Know It, and We Feel Fine" ist eine Kurzgeschichte, die sich mit der Frage beschäftigt, ob in einer Zukunft, in der die Menschen sich genetisch in ihrem Äußeren verschönern und verbessern können, dies nicht auch für die biologischen Anlagen von Verhalten und Empfinden gelten könnte.
Die Geschichte wirft einen Blick in eine ferne Zukunft genetisch angepasster Menschen, die friedvoll und freundlich ihr Leben mit ihren Mitmenschen teilen, deren größte Freude die Natur und ihre Haustiere sind – und deren größter Feind Menschen sind, die so sind wie wir: Berechnend, manchmal boshaft, zu Gemeinheiten fähig, andere ausnutzend.
Und dass so eine Welt Wächter benötigt, um diese friedvolle Menschheit vor Kreaturen wi wir zu bewahren.

Und noch ein augenzwinkernder Genuss: Barry Malzberg und Bill Pronzini mit der Kurzgeschichte "High Concept".
In einer Welt, in der seit Jahren seltsame und friedliche Besucher aus dem All auftauchen, um als eine Art von Touristen die Erde zu besuchen und dann wieder zu verschwinden, hat ein Drehbuchautor eine geniale Idee: Warum nicht eine fiktive Geschichte über den (unbekannten) Heimatplaneten der Aliens drehen, einen Action Film über deren Schlachten und Kämpfe mit anderen Rassen.
Zwar ist in dem EMail-Briefwechsel der Produzent nicht überzeugt, schließlich hätte das keine Ähnlichkeit mit den Aliens, die zwar völlig geheimnisvoll wären, aber immerhin als eine Gegenleistung für ihre Besuche als erstes ein Heilmittel gegen Krebs mitgebracht hätten.
Das ficht den Drehbuchautor nicht an, auch nicht die Überlegung, dass die Fremden sich vielleicht von so einem Kinofilm beleidigt fühlen könnten.
Die Argumente gehen ein paar mal hin und her, der Produzent lehnt die Geschichte ab.
Und es kommt, wie es kommen muss:
Die letzten Sätze der Geschichte geben die Meldung des Alien-Sicherheitscenter an das Hauptquartier des Sektors der Aliens wieder: Überwachte Nachricht deutet auf starke Respektlosigkeit gegenüber den Aliens hin. Der Drehbuchautor wird objektiv als Schuldig erkannt und "humanitär“ getötet.
Tja, so kanns gehen…
Der Beitrag wurde am Montag, 25. Februar 2013 veröffentlicht und wurde unter dem Topic Science Fiction abgelegt.
'Ein aktueller Blick in Analog'

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