Wir gründen einen Club
von Klaus Marion

Veröffentlich in Fandom Newsletter 28 1990

Zu den erhebendsten Momenten im Leben eines durchschnittlichen Science Fiction Fans gehört der Augenblick, wenn die Wahl zum Vorsitzenden des SFCD verkündet und man diesen Posten für die nächsten Jahre innehaben wird. Leider übersteigt die Zahl der Bewerber um dieses Amt die tatsächlich zur Verfügung stehenden Plätze bei weitem. Sollte dies das Ende aller fannisches Selbstbewußtsein fördernder Träume sein? Aber Mitnichten! Auch ein Vereinsvorsitzender/Präsident oder Clubchef sind wunderschöne Titel, die auf jedem Con-Namensschild guten Eindruck machen (und bei Anforderung von Buch-Rezensionsexemplaren unschätzbare Dienste leisten! Also gründen wir einen SF-Verein. Hier ein paar wichtige Tips aus der Praxis, die der Autor in bewegten Jugendjahren zwanglos sammeln konnte.


1) Mitglieder
Solange nicht gerade die Eintragung als e.V. angestrebt werden soll, ist gegen eine 1-Mann-Gründung nichts Prinzipielles einzuwenden Es gibt keine Probleme bei Meinungsverschiedenheiten, und die Perry Rhodan-Anstecknadel wird einem von niemandem streitig gemacht. Nun ist aber das Vorhandensein von diversen Vereinsmitgliedern als der Normalfall anzusehen, außer der Beruhigung des eigenen schlechten Gewissens wird ja schließlich jemand benötigt, der die Publikationen finanziert und sonstige unangenehme Aufgaben übernehmen kann.

Nach der Erfahrung des Verfassers dieser Zeilen ist es sehr einfach, aus vorhandenen Briefkontakten problemlos ca. 10-15 neue Mitglieder für einen neuen Verein hervorzukitzeln. Es empfiehlt sich, nicht mit der beabsichtigten Gründung hausieren zu gehen. Gründungsmitglieder sind notorisch geltungsbedürftig und machen einem ständig die leitenden Positionen streitig. Nein, man suche neue Mitglieder für den "hoffnungsvollen, jetzt schon 3 Monate bestehenden Club mit seinen 30 Mitgliedern". Eine Mitgliederliste sollte sich anschließend so lange verzögern, bis dieser Wert dann tatsächlich erreicht wurde. Mitglieder sollten übrigens möglichst weit weg wohnen (mind. 200 km) und keinen PKW besitzen. Dies erleichtert die ungestörte Clubleitung ungemein.

2) Namen & Titel
Grundsätzlich gilt: Im Titel eines guten Vereinsnamens sollten Adjektive wie 'europäisch', 'international', 'gesamt" sowie der Begriff 'Dachverband unter keinen Umständen fehlen. Merke: Nur ein langer Titel ist ein guter Titel Nichts erhöht das Selbstwertgefühl so sehr wie ein profunder Titel. 'l. Vorsitzender' klingt ja schon sehr schönn, aber ein 'Alleiniger Exekutiv-Präsident des ersten allgemeinen europäischen Dachverbandes zur Förderungder SF-Literatur in Rundfunk und Fernsehen' (AEPdeaeDzFdSFLiRuF) schlägt auf Cons jeden popeligen Ehrengast um Längen. Auch beigeordnete Funktionen sollten nicht unerwähnt bleiben. 'Vorsitzender des Arbeitskreises Fraucnfragen im allgemeinen erweiterten Vorstandsgremium', oder ein 'Fachrat für angewandte Literatur-Betreuung im ASTGSF' machen sich herrlich auf Briefbögen, bei denen die Erwähnung derartiger fachlicher Qualitäten mindestens 30% der zur Verfügung stehenden Blatthöhe ausmachen sollte.

3) Posten
Durch die Eigengründung bedingt, ist die Anzahl der wahlberechtigten Mitglieder unseres Dachverbandes naturgemäß eingeschränkt. Hier empfiehlt sich die sog. 'geheime Selbstwahl', wobei der Gründer kommissarisch auch noch die Posten des Kassierers, Stellvertreters und 'Clubrats für technische Fragen' in Personalunion übernimmt. Sind in diesem Fall die Mehrheitsverhältnisse noch einigermaßen überschaubar, erfordern steigende Mitgliedszahlen vorsichtigeres Taktieren. Neben der Tatsache, daß man als Herausgeber des Clubmagazins die Wahlvorschläge dezent in eine sinnvolle Form und Reihenfolge zu bringen in der Lage ist, ermöglicht die Auszählung der brieflich eingehenden Stimmzettel durch den Schwager oder großen Bruder unüberschätzbare Wahlkampfvorteile (siehe auch Taschenbuch: Stimmenzählen, aber richtig - SED/PDS-Verlag, Ost-Berlin). Eine gute Alternative sind die aus dem Aktienrecht entlehnten 'Stimmrechtlosen Vorzugsmitgliedschaften' die gewisse Probleme erst gar nicht aufkommen lassen. Ansonsten sei auf den Abschnitt 'Satzung' verwiesen.

4) Wahl des Vorsitzenden
Da die Existenz des PRBCBS beweist, daß auch die abstrusesten, hiesigen Vorstellungen von innerer Vereinsdemokratie schmerzhaft zuwiderlaufenden Satzungsparagraphen (Zwang zur Abstimmung, Geldbuße bei Nichtwahl etc), von Vereinsmitgliedern widerspruchslos geschluckt werden, sollte der neue Vorsitzende beim Satzungsentwurf (siehe dort) keine Hemmungen an den Tag legen. Kandidaturen müssen 3 Monate vorher schriftlich vorliegen (so daß man sie noch rechtzeitig ausschließen kann) und von mindestens 6 Mitgliedern eidesstattlich unterstützt werden. Die Abwahl des Vorsitzenden ist nur möglich bei: - Zustimmender Votierung über 85% aller Mitglieder sowie einstimmiger Beipflichtung durch den Vorstand - Der Zustimmung durch ein Schiedsgericht, dem Clark Darlton, Isaac Asimov sowie W. Voltz (die beiden letzten posthum) angehören müssen (einstimmiger Beschluß) - Sowie eine Beglaubigung durch die Mehrheit der SFCD-Mitglieder von 1973.

5) Satzung
Das Wichtigste überhaupt. Eine gute Satzung eröffnet mit dem Vereinszweck in Grundgesetzmanier ('Im Willen zur freundschaftlichen Völkerverständigung, in der Absicht, pipapo zu fördern' etc). Danach folgen Paragraphen. Viele Paragraphen. Die optimale Satzung hat über 200 Punkte, die so verteilt sind, daß jeder Paragraph auf mindestens 6 weitere verweist, wobei der tatsächliche Zusammenhang nur vom Verfasser unter Zuhilfenahme eines wandtafelgroßen Schaubildes überblickt werden kann. Diese Art der Satzung bietet für alles Unangenehme eine praktische Lösung: - inquisitorische Fragen nach dem Verbleib von Mitgliedsbeiträgen? §156: Auszahlung von Kostenaufwendungen an den Clubvorsitzenden... - lästige Forderungen nach Satzungsänderungen? §95: Änderung der Satzung ist nach einer Übergangsfrist von 3 Jahren und nur unter Zustimmung des Vorsitzenden möglich - nervige Vorstandskandidaten? §91, §95, §98, §112, §118, §136, §198, §199 und §215: Bewerbungsfristen und Bewerbunghindernisse (siehe auch: Mitgliederrechte §207) - nicht erscheinendes Clubmagazin? §146: Die durchschnittliche Zahl der in einem Jahrzehnt zu erscheinenden Magazine bestimmt sich nach den vom Kassierer (bei Stimmengleichheit: Vom Vorsitzenden) festgesetzten Terminen: Sie sollte 12 pro Jahr nicht überschreiten (jedoch mindestens 2 pro Jahrzehnt).

6) Beiträge
Moderat, aber langfristig ausplündern. Hohe Anfangsrabatte für Vorauszahlungen über 1-2 Jahre sind empfehlenswert, bei Clubauflösung fällt Vermögen satzungsgemäß an den Vorsitzenden. Lukrativ sind auch Satzungsbestimmungen, nach denen eine Erhöhung der Beiträge einseitig vom Vereinspräsidenten beschlossen werden kann (sog unbeschränkte Nachschußpflicht) Im Aufnahmeformular sollte sich das neue Mitglied im Kleingedruckten auf Seite 7 der Pfändung aller beweglichen und nicht beweglichen Habe bei Nichtzahlung der Vereinsgebühren aussetzen, sowie sich zur Abarbeitung fälliger Mitgliedsbeiträge durch niedere Dienste im Haushalt des Vorsitzenden bereit erklären.

7) Revolution
Irgendwann passiert es. Der osteuropäische Virus der Auflehnung gegen die schützende Hand des Vorsitzenden erreicht auch die friedvollen Mitglieder Deines Vereins. Lästige Mahnwachen vor Deiner Tür und gerichtliche Aufforderungen zur Rückzahlung von Mitgliedsbeiträgen sind deutliche Zeichen für ein ungesundes Vereinsklima. Zeit, den Club zu verlassen. Und einen neuen zu gründen.
Der Beitrag wurde am Dienstag, 28. Juni 2011 veröffentlicht und wurde unter dem Topic Satiren Asimov-Keller-Bar abgelegt.
'Neues aus der Asimov-Kellerbar: Wir gründen einen Club!'

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