Tausende von Büchern in meinem Bücherschrank - aber manche lohnen sich, einfach noch einmal gelesen zu werden. Jeden Tag ein neuer Vorschlag für ungewöhnliche Lesestunden - Ein wildes Sammelsurium des geschriebenen Wortes.
Dieses mal ein Gedicht von 1845:

Edgar Allen Poe: The Raven

Meine Wertung: Wertung: 5 von 5 Sternen

Quoth the raven: Nevermore.

Ich bin kein echter Gedichtliebhaber - vielleicht liegt das daran, dass im Deutschen Gedichte als völlig uncool gelten. Schillers "Glocke" ist ja thematisch auch nicht gerade das ultimativ spannende Thema. Die Amerikaner haben es da besser: Ist doch eines der bekanntesten und am meisten zitierte Gedicht eine Spuk- oder Gruselgeschichte: Die Erzählung des nächtlichen Besuchs eines seltsamen Rabens...

Once upon a midnight dreary, while I pondered, weak and weary,
Over many a quaint and curious volume of forgotten lore —
While I nodded, nearly napping, suddenly there came a tapping,
As of some one gently rapping, rapping at my chamber door.
"'Tis some visiter," I muttered, "tapping at my chamber door —
Only this and nothing more."

Ah, distinctly I remember it was in the bleak December;
And each separate dying ember wrought its ghost upon the floor.
Eagerly I wished the morrow; — vainly I had sought to borrow
From my books surcease of sorrow — sorrow for the lost Lenore —
For the rare and radiant maiden whom the angels name Lenore —
Nameless here for evermore.

And the silken, sad, uncertain rustling of each purple curtain
Thrilled me — filled me with fantastic terrors never felt before;
So that now, to still the beating of my heart, I stood repeating
"'Tis some visiter entreating entrance at my chamber door —
Some late visiter entreating entrance at my chamber door; —
This it is and nothing more."

Presently my soul grew stronger; hesitating then no longer,
"Sir," said I, "or Madam, truly your forgiveness I implore;
But the fact is I was napping, and so gently you came rapping,
And so faintly you came tapping, tapping at my chamber door,
That I scarce was sure I heard you" — here I opened wide the door; ——
Darkness there and nothing more.

Deep into that darkness peering, long I stood there wondering, fearing,
Doubting, dreaming dreams no mortal ever dared to dream before;
But the silence was unbroken, and the stillness gave no token,
And the only word there spoken was the whispered word, "Lenore?"
This I whispered, and an echo murmured back the word, "Lenore!" —
Merely this and nothing more.


Und so weiter.

Der gesamte Text findet sich beispielsweise hier: http://www.eapoe.org/works/poems/ravent.htm
Eine Lesung im Original findet sich hier: http://content.loudlit.org/mp3_downloads/raven-librivox-text.mp3

Man muss es laut lesen bzw hören, um den Rhythmus und die Dramatik des Textes zu spüren. Und, wie bei Gedichten leider zwingend, es sich im Original zu Gemüte führen. Denn eine sich reimende Übersetzung kann nur eine Übertragung sein - entweder Reim oder Inhalt, beides gleichzeitig ist nur schwer möglich. Es gibt jedoch einige kongeniale Übersetzungen ins Deutsche. Mir persönlich gefällt die Version von Hans Wollschläger am besten, in der 10-bändigen Poe-Paperback-Gesamtausgabe von Arno Schmidt und Hans Wollschläger von 1979. Hier die erste Strophe:

Einst, um eine Mittnacht graulich, da ich trübe sann und traulich
müde über manchem alten Folio lang vergess'ner Lehr' -
da der Schlaf schon kam gekrochen, scholl auf einmal leis ein Pochen,
gleichwie wenn ein Fingerknochen pochte, von der Türe her.
"'s ist Besuch wohl", murrt' ich, "was da pocht so knöchern zu mir her -
das allein - nichts weiter mehr."


Ungezählt sind im angelsächsischen die Bezugnahme und die Zitate zu "The Raven". Und da ist der Alan Parsons Project Song "The Raven" noch das Offensichtlichste. ( Hier ein Live-Mitschnitt: http://www.youtube.com/watch?v=ACbS08KJH9g )

Hier ein Zitat aus der Wikipedia zum Thema "Bezüge"

(aus Wikipedia)
(...) Das Gedicht wurde vielfach in der Literatur und in der Populärkultur rezipiert.
In Harry Mulischs Roman Die Entdeckung des Himmels hält sich eine der Hauptfiguren, Onno Quist, einen Raben. Er gibt dem Vogel den Namen Edgar. In Neil Gaimans Roman American Gods antwortet einer der Raben Odins auf die Aufforderung “Say ‘Nevermore’” (deutsch: „Sag ‚Nimmermehr‘“) schlicht mit “Fuck you”. Auf Terry Pratchetts Scheibenwelt existiert Sprach, der Rabe (orig. Quoth, the raven), der das „N-Wort“ nicht aussprechen will. Die Hexe Gundel Gaukeley aus den Walt-Disney-Comics hat in der deutschen Übersetzung einen Raben namens „Nimmermehr“ (orig. “Ratface”, wörtlich: „Rattengesicht“).
1998 entstand eine Zeichentrickverfilmung des Gedichts. Die Coen-Brüder verwendeten das Gedicht in Ladykillers als roten Faden. Im gesamten Film und insbesondere in der Schlussszene sind Motive des Gedichts eingebaut. In der ersten Treehouse of Horror-Episode (Staffel 2, Episode 3) der Simpsons liest Lisa das Gedicht als Gruselgeschichte vor. Homer erscheint in der Rolle des Erzählers (im Original gesprochen von James Earl Jones), Bart in der Rolle des Raben, Maggie und Lisa als Engel und Marge als Lenore in Form zweier Ölgemälde. In dem Film The Crow – Die Krähe zitiert die Hauptfigur Eric Draven einen Teil des Gedichts. In Jacques Rivettes Film Die Geschichte von Marie und Julien heißt Juliens Katze Nevermore. In der Serie The Munsters gibt es einen Raben in der Kuckucksuhr, der immerzu „Nevermore“ von sich gibt.
1963 verfilmte der bekannte, amerikanische B-Film-Regisseur Roger Corman das Gedicht unter dem Titel The Raven (deutsch Der Rabe – Duell der Zauberer) als absurde Fantasy-Komödie mit einer Besetzung aus den klassischen Horrorfilmdarstellern Vincent Price, Peter Lorre, Boris Karloff und unter anderem dem jungen Jack Nicholson.
Der Rabe wurde vertont durch The Alan Parsons Project auf dem Album Tales of Mystery and Imagination und durch die Gruppe Omnia auf dem Album Alive!. Auch Gregorian, Lou Reed, Grave Digger (auf dem Album The Grave Digger) und Tristania verarbeiteten das Gedicht musikalisch. Der bekannte Hardstyle-DJ Pavo verarbeitet das Gedicht in seinem Titel "Raven". Die schweizer Folk-Metalband Eluveitie verarbeitete das Gedicht in ihrem Lied Quoth the raven vom Album Everything remains as it never was.
Der US-amerikanische Profi-Wrestler Scott Levy baut sein Wrestling-Gimmick teilweise auf diesem Gedicht auf und benutzt dabei vor allem die Phrase „Quoth, the raven: Nevermore“.
Der Kurzfilm Vincent (Film) von Tim Burton baut ebenfalls auf dem Gedicht auf und endet mit dessen Schlusszeile.
Das Videospiel Eternal Darkness beginnt mit dem Zitat "Deep into that darkness peering, long I stood there wondering, fearing, doubting..." (fünfte Strophe). (...)


Sehr zu empfehlen!
Der Beitrag wurde am Mittwoch, 4. Mai 2011 veröffentlicht und wurde unter dem Topic 100 Buecher abgelegt.
'100 Books ~ Tag 88: Edgar Allen Poe - The Raven'

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