initiativ-Wirtschaftsmagazin für Führungskräfte Weihnachtspräsente
veröffentlicht in initiativ 1/2008







Zu den interessantesten Phänomenen des Wirtschaftslebens gehören die Weihnachtsglückwünsche. Damit sind nicht die an der Haustür klingelnden Mitarbeiter der Abfall entsorgenden Dienstleistungsbetriebe gemeint ("Die Müllmänner wünschen frohe Weihnacht!"), die Dank dieser rührenden Geste mindestens mit einer Sektflache rechnen dürfen und im Verweigerungsfall den Müll nur noch nach eingehender und demonstrativ misstrauischer Prüfung auf korrekte Trennung zu leeren bereit sind.

Nein, damit ist das persönlich überreichte oder auch per Post eintrudelnde Geschenk zum Fest gemeint, abgesandt von Geschäftspartnern, die das Fest der Freude auch zu einer kleinen Geste unter Geschäftsfreunden machen möchten.
Und so sammeln sich alsbald vor dem Fest allerlei Kärtchen und kleine Präsente von all jenen, mit denen man im vergangenen Jahr so manchen Umsatz zu feiern hatte.
Dabei ist wichtig zu betonen, dass dies in deutschen Landen durchaus nicht als anrüchig gilt. In einem Ratgeber für in Deutschland arbeitende Ausländer aus dem englischen Sprachraum wird extra erwähnt, dass das "German Weihnachtsgeschenk" nicht als Bestechung betrachtet wird, sondern ausschließlich der Verbesserung der klimatischen Atmosphäre zu dienen hat.
Hiervon sind allerdings die Mitglieder des beamteten und öffentlichen Dienstes ausgenommen, denen lediglich ein Geschenkwert von maximal 5 Euro pro Präsent zugestanden wird, was interessante Hinweise auf die vom Arbeitgeber vermutete Bedürftigkeit oder moralische Standhaftigkeit der Mitarbeiter zulässt.
Je höher die Position des Beschenkten, umso größer wird meist auch der Gunstbeweis sein. Muss sich der einfache Sachbearbeiter noch mit einer vervielfältigten Glückwunschkarte sowie einem Plastikkugelschreiber mit Firmennamen bescheiden, wird das Geschenk ab Abteilungsleiter aufwärts schon präsentabler. Selbständige und Freiberufler können dabei mit durchaus interessanten Dingen rechnen.
Bodenständige Absender wie Handwerksunternehmen greifen dabei gerne zu essbaren Präsenten wie Fresskörbe und Weinflaschensortimenten, was zumeist beim Beschenkten sehr positiv anzukommen pflegt. Leider sind gerade in der heutigen Zeit nicht wenige der Empfänger als Antialkoholiker oder Vegetarier bekannt, so dass es hier zu peinlicher Ablehnung des gut gemeinten Geschenks kommen kann. Daher versuchen viele Firmen, das Risiko zu minimieren und den Spieltrieb des Empfängers sinnfrei anzusprechen. So sind ferngesteuerte Miniaturautos, kleine Hubschraubermodelle oder zusammensetzbare Baukräne öfters einmal anzutreffen. Gerade in großen Firmen ist aber nicht immer klar, wer am Schluss der tatsächliche Empfänger des Präsentes sein kann, und so offenbaren diese gut gemeinten Spielzeuge "für das Kind im Mann" peinlicherweise sehr deutlich, dass eine Frau als Empfänger und Entscheidungsträger noch nicht in der Gedankenwelt des Absenders angekommen ist.
Interessanter Weise scheinen viele Geschenkversender der irrigen Annahme zu sein, dass sie der einzige Leser von Werbeartikel-Katalogen sind. Nur so ist es zu erklären, dass der neue Briefbeschwerer mit farblich wechselndem LED-Licht oder der USB-Stick mit Gravur zum Fest gleich dutzendfach von verschiedenen Firmen geschenkt wird. Und auch die Tatsache, dass der Adressat des Geschenkes möglicherweise lesen kann und damit auch bemerkt, dass der "Titan-Kugelschreiber im Designer-Look" im Katalog für 98 Cent angeboten wird, lässt nicht auf strategische Gedankentiefe beim Schenker schließen.
Nach Jahren mit allerlei Seltsamkeiten war es daher folgerichtig, dass viele Firmen nur noch Karten mit guten Wünschen sowie der Information, dass man statt einem Geschenk eine gemeinnützige Spende für den bedrohten tasmanischen Sumpftiger getätigt habe, verschickten.
Leider kam diese Form des gemeinnützigen wie versandtechnisch sehr unaufwendigem Schenkens nicht so gut an, wie es die Erfinder dieser Idee vermuteten. Ungezählte Geschäftspartner bedankten sich im Anschluss mit zusammengebissenen Zähnen für die freundliche tasmanische Tigerspende und trauerten den Zeiten des Trollingers im festlichen Dreierkarton nach. Schließlich kann nichts so sehr der Familie die eigene berufliche Bedeutung verdeutlichen, wie die zur Adventszeit mitgebrachte Wetterstation mit Funksender im Porsche-Design (14 Euro 50 bei Abnahme von 100 Stück).
Und so sind es nur noch vereinzelte Sparbrötchen oder ökologisch tief motivierte Gewerbetreibende, die mit virtuellen Gutmenschgeschenken auf Kundenbetreuung gehen.
Neu im Trend sind daher entweder "Geschenke für die Seele" wie die selbst zu drehende Honigkerze mit Docht, oder der Bastelbogen "Falte einem Kind ein Flugzeug", oder das aktive Weihnachtsgeschenk. Klassiker ist dabei die Veranstaltung "Schlag Dir einen Weihnachtsbaum", bei der der Beschenkte mitsamt der Familie zum lustigen Christbaumschlagen nebst Verköstigung und Glühwein in den nächsten Forst eingeladen wird.
Zumeist wird man hier interessiert feststellen können, wie groß der Kreis der damit Bedachten allgemein und speziell aus der eigenen Firma gestreut ist. Insbesondere Chefs werden dabei überrascht erkennen, wie viele der eigenen Mitarbeiter auch noch auf der doch angeblich exklusiven Veranstaltung anzutreffen sind – und damit unabsichtlich für die ganze Belegschaft dokumentieren, dass man monetär anscheinend auf externe Tannenbaumspenden angewiesen ist.
All dies muss ja eigentlich nicht sein.
Und so wird der Chef von Welt natürlich all den Geschenketand großzügig den Mitarbeitern überlassen, den Azubi zum Tannenbaumschlagen schicken und das Bastelspielzeug dem Kindergarten spenden.

Außer dem Schlachtplattenkorb und dem VSOP-Cognac natürlich, schließlich ist es ja Weihnachten.


Klaus Marion
Der Beitrag wurde am Sonntag, 6. April 2008 veröffentlicht und wurde unter dem Topic Satiren - initiativ abgelegt.
'initiativ Satire Januar 2008'

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